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Erbschaftsteuer bei Abfindung an weichenden Erben vor Eintritt des Erbfalls

Erhält ein Kind, das vertraglich auf die Geltendmachung seines künftigen Pflichtteilsanspruchs einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche im Verhältnis zur Mutter verzichtet hat, Ausgleichszahlungen von seinen Brüdern, so ist die Steuerklasse der Erbschaftsteuer sowie der Freibetrag für die Zuwendungen der Brüder nicht nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers (Verzichtender) zum Zahlenden, sondern zum künftigen Erblasser (Steuerklasse I) anzuwenden. Vorschenkungen der Mutter sind nicht auf den Erwerb von den Brüdern anzurechnen. So entschied das Finanzgericht Münster (FG) mit Urteil vom 26.2.2015 – 3 K 3065/14.

Im Streitfall hatten der Kläger und seine drei Brüder im Jahr 2006 einen Erbschaftsvertrag geschlossen. Darin verzichtete der Kläger auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs. Zum Ausgleich dafür zahlte ihm jeder Bruder eine Abfindung. Da der Vater schon verstorben war, betrafen die Vereinbarungen lediglich die Erbfolge nach der Mutter.

Der Kläger gab drei Schenkungsteuererklärungen ab. Das Finanzamt versteuerte die Abfindungszahlungen als (fiktiven) Erwerb von der Mutter. Da sich die Steuerklasse nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers zum künftigen Erblasser richte (so BFH vom 25.1.2001 – II R 22/98), sei auch der Freibetrag nach diesem Verhältnis zu berücksichtigen. Die Behörde fasste die drei Schenkungen zusammen und berücksichtigte ebenso die Vorschenkung der Mutter aus dem Jahr 2002 nach § 14 ErbStG. Der steuerpflichtige Erwerb betrug nach Abzug des Freibetrags 205.000 €.

Auf den Einspruch des Klägers und das Senatsurteil des FG Münster vom 17.2.2011 – 3 K 4815/08 Erb entschied der BFH mit Urteil vom 16.5.2013 – II R 21/11, dass die Abfindung, die ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch zahlt, eine freigebige Zuwendung des künftigen gesetzlichen Erben an den anderen sei und nicht als fiktive freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers besteuert werden könne. Die Steuerklasse richte sich allerdings nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers zum künftigen Erblasser. Das Finanzamt habe demnach zu Unrecht die Abfindungszahlungen als Schenkung der Mutter an den Kläger besteuert. Die gezahlten Abfindungen stellten vielmehr drei getrennte zu besteuernde freigebige Zuwendungen der Brüder an den Kläger dar.

Das Finanzamt erließ daraufhin drei Schenkungsteuerbescheide. Dadurch erhöhte sich die ursprünglich zu zahlende Steuer. Der Kläger legte Einspruch ein, da sich aus dem BFH-Urteil vom 16.5.2013 nur ergebe, dass sich die Steuerklasse nach dem Verhältnis zum künftigen Erblasser richte. Dem Urteil sei nicht zu entnehmen, dass die Besteuerung insgesamt nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers zum künftigen Erblasser vorzunehmen sei.

Das FG hielt die Klage für begründet. Das Finanzamt habe nach Auffassung des FG die Vorschenkung der Mutter nach § 14 ErbStG zu Unrecht berücksichtigt. Der Freibetrag sei antragsgemäß nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG anzusetzen.

Der BFH hatte in seinem Urteil vom 16.5.2013 ausdrücklich offen gelassen, wie im Übrigen die Besteuerung im Einzelnen zu erfolgen habe. Da sich die Steuerklasse nach dem Verhältnis des Zuwendungsempfängers zum künftigen Erblasser richtete, war im Streitfall die Steuerklasse I anzuwenden. Damit bestimmte sich auch der Freibetrag nach der Steuerklasse I. Eine Anrechnung der Vorschenkung der Mutter war nach Auffassung des Senats nicht möglich. Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift war eine Berücksichtigung der Vorschenkung der Mutter bei einem Erwerb vom Bruder nicht möglich, da es sich nicht um dieselbe Person handelte.