Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 11.1.2017 – X B 104/16 zur Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung bei fehlenden Programmierunterlagen und zur sog. „30/70-Methode“ als Schätzungsmethode Stellung genommen und die Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 10.5.2016 – 8 K 175/15 zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer betrieb in den Streitjahren 2006 bis 2012 ein Speiserestaurant und ermittelte den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich. Die Bareinnahmen wurden durch eine elektronische Registrierkasse erfasst. Alle hierzu gehörenden Organisationsunterlagen und die mit der Kasse erstellten Rechnungen sowie sämtliche Ausdrucke (ausgenommen Tagesberichte) konnten nicht vorgelegt werden. Alle Berichte waren im elektronischen Speicher der Kasse gelöscht. Stornobuchungen waren auf dem Journaldruck nicht erfasst; in fünf Monaten waren über 40.000 € storniert worden. Lohnzahlungen an die Angestellten waren nicht vom Bankkonto überwiesen, sondern als Barausgaben nachträglich erfasst. Auf Konten der Ehefrau und der Tochter wurden Bareinzahlungsbelege von insgesamt 200.000 € gefunden, ohne dass deren Herkunft erklärt werden konnte.
Das Finanzamt hielt aufgrund dieser Befunde die Buchführung für insgesamt nicht ordnungsgemäß. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen ermittelte es ein Verhältnis der Speisen zu Getränken von 70 : 30 %. Für die Getränke nahm es eine Ausbeutekalkulation vor und setzte einen Gesamtrohgewinnaufschlag von 320 % an, den es auf alle Streitjahre übertrug.
Das Finanzgericht wies die Klage nach erfolglosem Einspruch gegen die Schätzung als unbegründet zurück. Die Hinzuschätzungen waren weder dem Grund noch der Höhe nach zu beanstanden. Die Finanzrichter ließen die Revision nicht zu.
Der BFH wies die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zurück. Er sah keine grundsätzliche Bedeutung darin, dass bislang höchstrichterlich nicht geklärt sei, ob eine Kalkulation allein für Getränke durchgeführt werden kann, die anschließend im Zeitreihenvergleich auf den Gesamtumsatz anderer Jahre übertragen wird. Die sog. „30/70-Methode“ basiert auf dem Gedanken, dass in einem Speiserestaurant das Verhältnis zwischen verzehrten Speisen und Getränken nur geringen Schwankungen unterliegt, da die Gäste typischerweise im Durchschnitt zu jeder Speise eine bestimmte Menge an Getränken zu sich nehmen. Dies rechtfertigt es, aus der Höhe der kalkulierten Getränkeumsätze auf die Höhe der Speisenumsätze zu schließen, ohne dass diese gesondert anhand des Wareneinkaufs kalkuliert werden müssten.
Eine Revision wegen einer Rechtsprechungsdivergenz kommt ebenfalls nicht in Betracht. Denn bei einem programmierbaren Kassensystem stellt das Fehlen der aufbewahrungspflichtigen Betriebsanleitung sowie der Protokolle nachträglicher Programmänderungen einen formellen Mangel dar, dessen Bedeutung dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse gleichkommt. Es reicht in einem solchen Fall nicht aus, wenn der Steuerpflichtige alle Tagesendsummenbons vorlegen kann.
Nach Auffassung des BFH ist das FG-Urteil nicht verfahrensfehlerhaft; insbesondere liegt keine Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 76 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) vor. Die Sachaufklärungsrüge kann nicht dazu dienen, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, die ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat. Da kein substantiierter Vortrag des Klägers vorlag, war das FG nicht verpflichtet, eine technische Ablaufprüfung der Registrierkasse vornehmen zu lassen oder ein vom Kläger beantragtes Sachverständigengutachten einzuholen.