Das Finanzgericht Niedersachsen (FG) hat mit Urteil vom 6.9.2018 – 1 K 68/17 entschieden: Eine Überprüfung der von den Gutachterausschüssen nach § 183 Abs. 1 Satz 2 Bewertungsgesetz (BewG) mitgeteilten Vergleichspreise durch das Gericht ist darauf beschränkt, ob dem
Gutachterausschuss offensichtliche Unrichtigkeiten unterlaufen sind. Zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts im Sinne des § 198 BewG ist ein Sachverständigengutachten nicht stets vorrangig gegenüber einer stichtagsnahen Veräußerung zu berücksichtigen.
Die Klägerin erbte das mit einem freistehenden Einfamilienhaus bebaute Grundstück und veräußerte es für 460.000 €. Für Zwecke der Erbschaftsbesteuerung ließ die Klägerin ein Gutachten erstellen, nach dem der Verkehrswert des Grundstücks bei 220.000 € lag. Das Finanzamt berief sich demgegenüber auf den Immobilienpreiskalkulator der
Gutachterausschüsse für Grundstücke in Niedersachsen (IPK), der einen Verkehrswert von 320.000 € feststellte.
Im Einspruchsverfahren ermittelte der Gutachterausschuss für Grundstückswerte (GAG) für das streitige Grundstück auf der Basis von Vergleichspreisen einen Verkehrswert von 480.000 €. Mit Einspruchsbescheid erhöhte das Finanzamt den Grundbesitzwert auf 460.000 € und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Das FG Niederachsen hielt die Klage für unbegründet. Der vom Beklagten angesetzte Wert in Höhe von 460.000 € war zutreffend. Die vom Beklagten vorgenommene Bewertung nach dem Vergleichswertverfahren war nicht zu beanstanden.
Die vom Beklagten durchgeführte Vergleichswertermittlung war anzuerkennen. Nach § 182 Abs. 2 Nr. 3 BewG sind Ein- und Zweifamilienhäuser – und damit auch der hier streitige Grundbesitz –
für Zwecke der Erbschaftsteuer grundsätzlich im Vergleichswertverfahren zu bewerten. Die gerichtliche Überprüfung ist darauf beschränkt, ob dem GAG offensichtliche Unrichtigkeiten unterlaufen sind. Eine fachliche Überprüfung durch – mit geringerer Sachkunde ausgestattete –
Gerichte würde dem widersprechen. Offensichtliche Unrichtigkeiten waren nicht erkennbar.
Nach dem Vergleichswertverfahren wäre daher ein Wert in Höhe von 480.000 € anzusetzen. Die Klägerin hat jedoch einen niedrigeren gemeinen Wert in Höhe von 460.000 € nachgewiesen. Dabei kann dahinstehen, ob das Gutachten Anlass gibt, an dessen Richtigkeit zu zweifeln, denn ungeachtet dessen kommt das Gericht vorliegend zu der Einschätzung, dass
der Kaufpreis den zutreffenden gemeinen Wert nachweist.
Ein solcher Nachweis kann sowohl durch Vorlage eines Gutachtens des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden als auch durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungsstichtag erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück.
Die Klägerin hat den Nachweis durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungsstichtag erzielten Kaufpreis erbracht.
Die erbrachten Nachweise des Verkehrswerts unterliegen grundsätzlich der freien Beweiswürdigung des Gerichts. Beim Vorliegen mehrerer Beweismittel, z. B. wenn wie hier sowohl ein vom Steuerpflichtigen beigebrachtes Sachverständigengutachten als auch ein zeitnaher Grundstückskaufvertrag vorliegt, sind beide Beweismittel für die Überzeugungsbildung heranzuziehen und auch die sonstigen Umstände zu berücksichtigen. Einen noch niedrigeren gemeinen Wert als 460.000 € hat die Klägerin nicht nachgewiesen.