Der BFH (Urteil v. 09.07.2019 - X R 7/17) hatte die Frage zu klären, ob die Investitionsfrist nach § 6b Abs. 3 EStG verlängert werden kann, wenn sich ein Neubau eines Gebäudes noch im Anfangsstadium der Bauplanung befindet. Zudem hatte der BFH zu entscheiden, ob die Höhe des Gewinnzuschlags verfassungswidrig ist.
Der Steuerpflichtige hatte in seiner Bilanz zum 30. Juni 2005 einen Sonderposten mit Rücklagenanteil, den er steuerlich als Rücklage nach § 6b EStG berücksichtige, gebildet. Aus dem Bilanzbericht zum 30. Juni 2009 geht hervor, dass mit der Investition, auf die die Rücklage übertragen werden sollte, im Wirtschaftsjahr 2008/2009 begonnen worden sei. Deswegen löste der Steuerpflichtige die Rücklage zum 30. Juni 2009 nicht auf. Die Rücklage wurde dann auf ein in einem späteren Jahr fertiggestelltes Betriebsgebäude übertragen. Für dieses Bauvorhaben wurde nach dem 6. Juli 2010 ein Statiker beauftragt, der Bauantrag wurde vom Architekten am 15. Juni 2010 gezeichnet. Für die Zeit vom 19. Mai 2009 bis 30. Juni 2010 wurden vom Architekten 192 Arbeitsstunden in Rechnung gestellt, wovon 66,5 Stunden die Vor- und Entwurfsplanung in der Zeit bis zum 30. Juni 2009 betrafen. Nach Ausführungen des Steuerpflichtigen wurde der mündliche Planungsauftrag an den Architekten am 14. Mai 2009 erteilt.
Die Außenprüfung für den Betrieb kam zu dem Ergebnis, dass die im Jahresabschluss zum 30. Juni 2005 gebildete Rücklage in der Bilanz zum 30. Juni 2009 gewinnwirksam aufzulösen gewesen sei. Eine Übertragung der Rücklage auf das Bauwerk des Steuerpflichtigen sei nach Auffassung des
Finanzamtes nicht möglich, da der Bauantrag vom 22. Juni 2010 nach Ablauf der vierjährigen Frist gestellt wurde. Einspruch und Klage blieben erfolglos, woraufhin der Steuerpflichtige Revision einlegte.
Der Kläger führte während der Revision aus, dass die Planungen für das Gebäude ab Frühjahr 2009 Teil des Herstellungsprozesses seien. Sie stellten einen nach außen hin erkennbaren und objektiv nachprüfbaren Beginn der Investition dar, sodass die Stellung eines Bauantrags nicht mehr nötig gewesen sei. Zudem vertrat der Steuerpflichtige die Auffassung, dass die Höhe des Gewinnzuschlags i.H.v. 6 % p.a. schon in den Jahren 2005 bis 2009 verfassungswidrig gewesen war.
Der BFH hat entschieden, dass die Revision des Klägers unbegründet ist. Nach Auffassung des BFH hat das FG zu Recht entschieden, dass die Reinvestitionsrücklage nach Ablauf des vierjährigen Investitionszeitraums aufzulösen war, da zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der Herstellung eines neuen Gebäudes durch den Steuerpflichtigen begonnen wurde. Zudem führte der BFH aus, dass die Höhe des Gewinnzuschlags bis zum Jahr 2009 nicht verfassungswidrig ist. Mit der in § 6b Abs. 3 Satz 3 EStG geregelten Verlängerung der vierjährigen Reinvestitionsfrist auf 6
Jahre berücksichtigt der Gesetzgeber, dass die Herstellung von Gebäuden erfahrungsgemäß eine längere Planungs- und Bauzeit erfordert. Diese Frist knüpft jedoch daran, dass bereits vor Ablauf der vierjährigen Frist mit der Herstellung des Gebäudes begonnen wird. Dabei ist den Ausführungen des BFH zufolge als Herstellungsbeginn der Zeitpunkt anzunehmen, ab dem das konkrete Investitionsvorhaben ins Werk gesetzt wird. Dem BFH zufolge kann dieser Zeitpunkt bereits vor den eigentlichen Bauarbeiten liegen. Als sicheres Indiz führt der BFH die Stellung eines Bauantrags an. Das „Ins-Werk-Setzen“ und damit der Beginn der Herstellung im Zusammenhang mit § 6b EStG muss dem BFH zufolge jedoch nicht zwingend mit dem Bauantrag verbunden sein. Auch Handlungen in dessen Vorfeld können ausreichen, wobei die Einzelheiten welche Maßnahmen hierunter fallen, nicht höchstrichterlich geklärt sind.
Regelmäßig gilt als Beginn für die Herstellung eines Gebäudes der Abschluss eines der Ausführung zuzurechnend Lieferungs- oder Leistungsvertrag oder die Aufnahme von Bauarbeiten. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall führt dem BFH zufolge jedoch nicht zu einer Verlängerung der Investitionsfrist, weil im Streitfall nur der bloße Entwurfsplan vorhanden war. Der BFH kommt daher zu dem Entschluss, dass die Rücklage gewinnwirksam mit Zinszuschlag zum 30. Juni 2009 aufzulösen war.
Hinsichtlich der Höhe des Gewinnzuschlags von 6 % sieht der BFH für die Jahre 2005 bis 2009 keine Verletzung gegen das Verfassungsrecht.
Hinweis: Der aufgrund des Vorentwurfs am 22.06.2009 eingereichte Bauantrag reichte danach nicht aus, um die Baumaßnahme hinreichend konkret „ins Werk zu setzen“.