Die Beteiligten streiten im Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH, Beschluss vom 23.7.2019 – XI B 29/19) darum, ob die Vereinbarung eines überhöhten Preises einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung – AO) bzw. einen Rechtsmissbrauch im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) darstellt.
In dem zugrundeliegenden Fall betrieb eine GmbH Biogasanlagen sowie Blockheizkraftwerke.
Die Klägerin erwarb in den Streitjahren (2011 bis 2014) für ihre Biogasanlagen zwischen 36.000 t und 38.000 t Gülle zum Preis von 12,50 Euro bis 13,50 Euro pro Tonne. Sie zahlte den liefernden Landwirten darüber hinaus eine Transportentschädigung in Abhängigkeit von der jeweiligen Entfernung. Die vom jeweiligen Landwirt für die Güllelieferung abzunehmende Menge an Gärresten wurde dem Landwirt zusätzlich mit 0,50 Euro bis 1,50 Euro pro Tonne vergütet.
Die Lieferer waren bis auf eine Ausnahme Gesellschafter der Klägerin. Der Preis der Gülle wurde nach Angaben der Klägerin auf Grundlage des Düngewertes und der Entfernung zum Lieferort ermittelt. Zu Beginn der Güllelieferungen sei ein Preis in Höhe von 7 Euro pro Tonne Gülle angeboten worden.
Dieser Preis habe jedoch die Rücknahmepflicht einer entsprechenden Menge Gärsubstrats beinhaltet. Viele Landwirte hätten deshalb zunächst keine Gülle angeboten, da sie über kein Gärrestelager verfügten, weshalb die Biogasanlagen Probleme gehabt hätten, ausreichend Gülle einzukaufen. Daher sei der Preis auf 12 Euro pro Tonne angehoben worden. Die Klägerin hat hierzu ein Protokoll ihrer Verwaltungsratssitzung vorgelegt, aus dem der einstimmige Beschluss des Verwaltungsrats über die Erhöhung der Vergütung hervorgeht, wobei ausschlaggebend die zögerliche Anfuhr der Gülle nach Plan besonders in den Arbeitsspitzen auf den Betrieben sei. Ferner habe die Fütterung der Biogasanlagen mit mindestens 30 % an Gülle notwendig ununterbrochen gewährleistet sein müssen, um den sogenannten Güllebonus nach dem Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien zu erhalten.
Das Finanzamt nahm nach Durchführung einer Außenprüfung an, dass die für die Gülle gezahlten Preise deutlich überhöht seien. Bereits im Jahr 2011 seien auf dem Güllemarkt Preise um 3 Euro pro Tonne üblich gewesen. Auch die Nähe der Anbieter zur Biogasanlage sei kein nachvollziehbarer Grund für die so stark vom Marktwert abweichenden Preise. Die Preisgestaltung sei im Sinne des § 42 AO rechtsmissbräuchlich und letztlich allein aus steuerlichen Motiven gewählt worden, da dem Vorsteuerabzug aufseiten der Klägerin keine Zahlungsverpflichtung aufseiten der liefernden Landwirte gegenübergestanden habe, weil (und soweit) diese ihre Umsätze nach § 24 Umsatzsteuergesetz versteuert hätten. Das Finanzamt kürzte daher die in den Gutschriften mit 10,7 % ausgewiesenen Vorsteuern um 75 % und erkannte damit einen Güllepreis von durchschnittlich lediglich ca. 3 Euro pro Tonne an.
Das Niedersächsische Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem Urteil vom 7.3.2019 – 11 K 23/18 statt. Das Gericht führte aus, dass, auch wenn die Gegenleistung im Verhältnis zum allgemeinen Marktpreis weit überhöht sei, sie nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs das Entgelt darstelle.
Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts liege nicht vor. Für die Erhöhung des Entgelts für die Gülle gibt es einen nachvollziehbaren wirtschaftlichen Grund. Dass die interne Ausschreibung der Güllemengen nach der Preiserhöhung unter Beibehaltung der bisherigen Lieferquoten stattfand, sei kein Grund, die Angaben der Klägerin als Schutzbehauptung zu werten. Der BFH folgte dieser Auffassung.