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Insgesamt steuerfreie Vermietung eines Putenstalls mit Betriebsvorrichtung

Die Umsatzsteuerpflicht der Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG gilt nach Auffassung des Niedersächsischen Finanzgerichts nicht (Urteil vom 11.06.2020, 11 K 24/19), wenn Einrichtungsgegenstände mitverpachtet werden, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der jeweiligen Immobilien zwingend erforderlich sind und diese erst betriebs- und benutzungsfähig machen.

Im Streitfall erzielt der Landwirt (L) unter anderem Umsätze aus der Verpachtung von Stallgebäuden inklusive Betriebsvorrichtungen (Putenställe). Anlässlich einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt (FA), fest, dass L die Pachtzahlung für zwei auf Dauer angelegte Stallverpachtungen in vollem Umfang als steuerfreie Vermietungsumsätze nach § 4 Nr. 12a UStG behandelt hatte. Der Prüfer ermittelte einen auf die Betriebsvorrichtungen entfallenen Pachtanteil von jeweils 20 % und unterwarf diesen gemäß § 4 Nr. 12 S. 2 UStG der Umsatzsteuer. Das FA erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2010 bis 2014 und einen Umsatzsteuerbescheid für 2015. Die Einsprüche des L hiergegen wies das FA als unbegründet zurück, woraufhin L Klage einreichte.

Das FG bestätigt die Rechtsauffassung des L. Das FA hat zu Unrecht den auf die Betriebsvorrichtungen entfallenen Pachtanteil der Umsatzsteuer unterworfen. Bei der Überlassung der Betriebsvorrichtungen handelt es sich nach Auffassung des FG um eine Nebenleistung zur gemäß § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreien Verpachtung der Stallgebäude mit der Folge, dass die Nebenleistung ebenfalls steuerfrei ist.

Die nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreien Umsätze umfassen im vorliegenden Fall nicht nur die Verpachtung der Stallgebäude, sondern auch die Überlassung der Ausstattungselemente zur Fütterung und Aufzucht der Tiere, da es sich hierbei um eine Nebenleistung zur steuerfreien Verpachtung handelt. Zwar ist die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind, nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG umsatzsteuerpflichtig. Dies gilt nach der neueren BFHRechtsprechung, welcher sich das FG anschließt, jedoch nicht, wenn Einrichtungsgegenstände mitverpachtet werden, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der jeweiligen Immobilien zwingend erforderlich sind und diese erst betriebs- und benutzungsfähig machen. Erfüllt die Überlassung von Betriebsvorrichtungen den Tatbestand einer unselbständigen Nebenleistung, ist die Vermietung und Verpachtung der Betriebsvorrichtung danach umsatzsteuerfrei.

Die vom FA vertretene Auffassung steht ferner nicht im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des EuGH, wonach eine einheitliche Leistung, die aus einem Haupt- und Nebenbestandteil besteht, für die bei getrennter Erbringung unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gelten, nur zu dem für diese einheitliche Leistung geltenden Steuersatz besteuert werden darf, der sich nach dem Hauptbestandteil richtet (EuGH v. 18.01.2018 - C-463/16, HFR 2018, 252, Stadion Amsterdam).

Eine gesonderte Entgeltvereinbarung – wie sie im Streitfall allerdings nicht vorliegt – könnte ein Indiz für das Vorliegen selbständiger Leistungen sein. Eine entscheidende Bedeutung kommt der gesonderten Rechnungsstellung und eigenständigen Bildung des Leistungspreises für das Vorliegen selbständiger Leistungen hingegen nicht zu. Bildet ein zur Miete angebotenes Gebäude mit begleitenden Leistungen in wirtschaftlicher Hinsicht objektiv eine Gesamtheit, kann davon ausgegangen werden, dass diese Leistungen mit der Vermietung eine einheitliche Leistung bilden. Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der von L überlassenen Betriebsvorrichtung um eine Nebenleistung zur steuerfreien Gebäudeverpachtung. Die mitverpachtete Betriebsvorrichtung bestand, wie auch vom FA nicht in Zweifel gezogen wird, in speziell abgestimmten Ausstattungselementen, die nur dazu dienten, die vertragsgemäße Nutzung des Putenstalls unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Die Vorrichtungen wurden für die Fütterung großer Tiere in der Putenhaltung entwickelt, um diese mit der Industrieförderspirale in der vorgegebenen Zeit zur Schlachtreife aufzuziehen. Heizungs- und Lüftungsanlagen sind notwendig, um den Anforderungen an das Stallklima gerecht zu werden. Spezielle Beleuchtungssysteme dienen einer gleichmäßigen Ausleuchtung. Bei den Betriebsvorrichtungen (Fütterung, Siloanlage etc.) handelt es sich daher um Leistungen, die für die Nutzung der gepachteten Ställe nützlich oder sogar notwendig waren. Danach bilden die zur Verpachtung angebotenen Ställe mit den begleitenden Leistungen in wirtschaftliche Hinsicht objektiv eine Gesamtheit, so dass nach der Rechtsprechung des EuGH davon auszugehen ist, dass diese Leistungen mit der Vermietung eine
einheitliche Leistung bilden.

Hinweis:

Die Revision war nach § 155 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen der gegenläufigen Auffassung der Finanzverwaltung zuzulassen und ist unter dem Aktenzeichen V R 22/20 anhängig. Da das FG davon ausgegangen ist, dass, wenn Einrichtungsgegenstände mitverpachtet werden, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der jeweiligen Immobilien zwingend erforderlich sind und diese erst betriebs- und benutzungsfähig machen, in der Überlassung der Betriebsvorrichtungen eine unselbständige Nebenleistung zu sehen ist, brauchte es sich nicht mit der Frage auseinander zu setzen, welches Leistungselement prägend ist. Sollten nämlich die Betriebsvorrichtungen als prägendes Leistungselement zu beurteilen sein, könnte die Vermietung auch insgesamt steuerpflichtig sein. So auch die Diskussionen in der Praxis (z.B. bei Verpachtung eines Milchviehstalles mit Melkkarussell, -roboter etc.).

Die Entscheidung des BFH bleibt abzuwarten.