Weist ein Steuerpflichtiger nach, dass der gemeine Wert von land- und forstwirtschaftlichen Flächen, die kurze Zeit nach dem Erbanfall veräußert wurden, wesentlich niedriger ist als ein nach § 166 BewG ermittelter Liquidationswert, kann der gemeine Wert nach § 9 Abs. 2 BewG als Grundbesitzwert für erbschaftsteuerliche Zwecke angesetzt werden.
Allerdings entfaltet das sogenannte Übermaßverbot nur seine Wirkung, wenn das Ergebnis einer schematisierenden Bewertung extrem über das normale Maß hinausgeht. Erforderlich ist demnach der Nachweis eines gemeinen Wertes, der den bewertungsrechtlich festgestellten Grundstückswert sehr deutlich unterschreitet. Das hat das FG Mecklenburg-Vorpommern entschieden (Urteil vom 11.11.2020, 3 K 369/17).
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine im Jahr 2015 verstorbene Frau (= Erblasserin) war Eigentümerin mehrerer Grundstücke, die zum Teil bebaut waren und zum Teil als Ackerland genutzt wurden. Der spätere Kläger war Alleinerbe der Erblasserin und veräußerte sämtliche Grundstücke im Jahr 2016 für 292.000 €.
Das örtliche Finanzamt wurde aufgefordert, für Zwecke der Erbschaftsteuer die Grundbesitzwerte zum Todestag der Erblasserin festzustellen. Das Finanzamt ermittelte einen Grundbesitzwert in Höhe von rund 96.000 € für die vom Erben veräußerten Flächen, die keinem landwirtschaftlichen Zweck dienten.
Für die ebenfalls vom Alleinerben verkauften wesentlich größeren, landwirtschaftlich genutzten Flächen stellte das Finanzamt einen Grundbesitzwert in Höhe von rund 240.000 € fest. Zum Ansatz kam hier der Liquidationswert, da die landwirtschaftlichen Flächen innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren nach dem Bewertungsstichtag (= Todestag der Erblasserin) veräußert wurden. Zur Feststellung des Liquidationswerts zog das Finanzamt die zuletzt vor dem Bewertungsstichtag ermittelten Bodenrichtwerte heran. Von dem darüber ermittelten Wert nahm es einen Abschlag von 10 % für Liquidationskosten vor.
Der Erbe legte Einspruch gegen die Bewertung der landwirtschaftlichen Flächen durch das Finanzamt ein, da er davon ausging, der auf die Flächen entfallende (niedrigere) Verkaufspreis sei maßgeblich für die Höhe des Grundbesitzwerts. Denn bei den Flächen handelte es sich seiner Meinung nach zwar um landwirtschaftliches Vermögen, aber nicht um einen landwirtschaftlichen Betrieb. Daher sei nach § 164 Abs. 2 BewG die Mindestbewertung durchzuführen. Und der Mindestwert könne nicht über dem Verkaufspreis der Flächen liegen.
Mangels Einigung kam es zur Klage vor dem FG Mecklenburg-Vorpommern. Nach Prüfung des Sachverhalts erklärte das Gericht die Klage für unbegründet.
Das Gericht stellte unter anderem fest: Die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist der Betrieb der Land- und Forstwirtschaft. Wird ein solcher Betrieb innerhalb von 15 Jahren nach dem Bewertungsstichtag veräußert (und der Veräußerungserlös nicht wieder in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb investiert), erfolgt die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit mit dem Liquidationswert. Dieser wurde vom Finanzamt in zutreffender Höhe ermittelt.
Der Kläger hat zwar einen niedrigeren gemeinen Wert (= Verkaufspreis) nachgewiesen. Der festgestellte Bodenwert übersteigt diesen Wert aber um nicht mehr als 21,7 % und damit nicht wesentlich. Das Übermaßverbot entfaltet daher keine Wirkung. Der BFH hatte in der Vergangenheit eine Bewertungsdifferenz von 10 % als noch hinnehmbar qualifiziert. Nicht mehr hinnehmbar ist nach Meinung des BFH allerdings eine Bewertungsdifferenz von 40 %.