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Unterlassen vertraglich vorgesehener Erhöhung des Altenteils

Bei fehlender zeitnaher Umsetzung einer in einem Versorgungsvertrag/Übergabevertrag vereinbarten Erhöhung der Barleistungen scheidet nach einer Entscheidung des FG Niedersachsen (Urteil v. 27.06.2019 - 11 K 291/18) ein Sonderausgabenabzug aus.

Im Streitfall wurde der land- und forstwirtschaftliche (luf) Betrieb bis zum Jahr 2009 durch den Kläger gemeinsam mit dessen Mutter in der Rechtsform eine KG geführt. Am 07.08.2009 schlossen der Kläger und seine Mutter einen notariell beurkundeten Hofübergabe- und Altenteilsvertrag. Der Vertrag enthielt u.a. folgende Altenteilregelung: Zahlung eines monatlichen Barbetrages von 200,00 € ab dem 01.07.2009, jeweils bis zum 15. eine jeden Monats an die Übergeber; ab dem 65. Lebensjahr des Vaters (Altenteilers, geb. 7/1946) erhöht sich der monatliche Barbetrag auf 300,00 €.

Der Kläger zahlte in den Streitjahren (2009 – 2012) durchgehend den Betrag von 200 € an die Eltern. Eine Erhöhung des Zahlbetrages auf dann 350 € monatlich wurde erst zum Februar 2013 vorgenommen. In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger zunächst keine Sonderausgaben für die Zahlungen gemäß der Altenteilsregelung geltend. Das Finanzamt (FA) veranlagte unter Vorbehalt der Nachprüfung.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 2009-2012 hat der Kläger erstmals der Abzug der Altenteilsleistungen von monatlich 200 € geltend gemacht (belegt durch Kontoauszüge). Die Prüferin kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei diesen Zahlungen nicht um Zahlungen für das Altenteil handele. Auch die vertraglich vereinbarte Erhöhung um 100 € sei nicht durchgeführt worden. Ein Sonderausgabenabzug sei daher nicht zu gewähren. Das FA erließ geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, in denen die monatlichen Zahlungen nicht als Sonderausgaben berücksichtigt wurden. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Diesen begründete er damit, dass die Versorgungsleistungen an die Altenteiler durch die Zahlung von monatlich 200 €, ab dem 01.02.2013 350 €, erbracht worden seien. Zudem seien Telefonkosten von 200 € im Jahr und die Nebenkosten des Wohnrechts übernommen worden. Das FA wies den Einspruch als unbegründet
zurück. Wogegen Klage eingereicht wurde.

Die Klage ist nach Ansicht des FG Niedersachsen unbegründet. Ein Sonderausgabenabzug für die geleisteten Zahlungen an die Eltern des Klägers kommt vorliegend nicht in Betracht. Die hier streitigen Zahlungen an die Eltern des Klägers wurden im Rahmen des Hofübergabe- und Altenteilsvertrages vereinbart. Ein Sonderausgabenabzug scheitert laut FG, wie vom FA zutreffend ausgeführt, vorliegend am fehlenden Rechtsbindungswillen der Beteiligten.

Ein Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrag kann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn die (Mindest-)Voraussetzungen, die die Qualifikation des Vertrags als Versorgungsvertrag erst ermöglichen (Umfang des übertragenen Vermögens, Art und Höhe der Versorgungsleistung sowie Art und Weise der Zahlung), klar und eindeutig vereinbart sind. Die Vereinbarungen müssen zu Beginn des Rechtsverhältnisses und bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden.

Die Parteien müssen den im Versorgungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen auch tatsächlich nachkommen; die Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden. Allerdings liegt es in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags, dass die Vertragspartner z.B. auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren. Lassen sich Abweichungen von den vertraglichen Vereinbarungen feststellen, so ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt und ob sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen wollen.

So wie andere Verträge im Wege des Fremdvergleichs auf ihre Ernstlichkeit überprüft werden, sind Versorgungsverträge, denen beide Parteien (durch äußerliche Merkmale erkennbar) rechtliche Bindungswirkung beimessen, von solchen ”Verträgen“ abzugrenzen, die die Parteien selbst nicht ernst nehmen und von denen sie nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint. Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch willkürliche Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, darüber hinaus aber auch durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist.

Der BFH hat in der Vergangenheit z.B. den Rechtsbindungswillen verneint, wenn die auf der Grundlage eines Vermögensübergabevertrages geschuldeten Versorgungsleistungen ”willkürlich“ ausgesetzt wurden. Dies soll z.B. der Fall sein, wenn Versorgungszahlungen über einen Zeitraum von 17 Monaten ohne entsprechende Regelung vollständig ausgesetzt werden. Dagegen soll die bloß verspätete Zahlung von Versorgungsleistungen für sich allein nicht zur Versagung des Sonderausgabenabzugs führen.

Vielmehr ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob die Parteien einen Rechtsbindungswillen hinsichtlich der Durchführung des Versorgungsvertrages besitzen. Dabei ist die vertragsgemäße Erfüllung der übernommenen Pflichten zu prüfen.

Unter Würdigung dieser Voraussetzungen ergibt sich, nach Ansicht des FG, aus der fehlenden Erhöhung der Barleistungen, dass es den Beteiligten bei der Vereinbarung der Versorgungsleistung am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlte. Bei der Auslegung der Vertragsklausel zum Baraltenteil bemängelt das FG, dass die Regelung im Hinblick auf die Erhöhung des Zahlbetrages von 200 € auf 300 € unklar formuliert ist.

Der Kläger hatte hierzu jedoch nachvollziehbar vorgetragen, dass durch die Erhöhung der fehlende Arbeitslohn des Herrn O.M. nach dessen Eintritt in den Ruhestand ausgeglichen werden sollte. Diese Begründung ist inhaltlich nachvollziehbar, sodass die Klausel bei Würdigung der Parteiinteressen dahin auszulegen sein dürfte, dass die Erhöhung des Zahlbetrages nach dem 65. Geburtstag des Herrn O.M., d.h. ab dem ...07.2011, vorzunehmen war. Welche Auslegung des Vertrages letztlich zutreffend ist, ist im Ergebnis unerheblich, da eine Erhöhung der Zahlung tatsächlich erst zum Beginn des Jahres 2013 erfolgte. Selbst wenn man hier auf die Vollendung des 65. Lebensjahres des Herrn O.M. abstellen würde, hätte ein Betrag von 300 € jedenfalls ab dem 01.08.2011 gezahlt werden müssen. Ein erhöhter Betrag von dann 350 € wurde aber erst ab Februar 2013 und damit 18 Monate nach dem vereinbarten Datum gezahlt. Diese Abweichung vom insoweit eindeutigen Vertragswortlaut konnte der Kläger auch nicht ausreichend begründen. Denn nach dem eigenen Vortrag sollte die Erhöhung des Zahlbetrags den Wegfall der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit des Herrn O.M. jedenfalls teilweise kompensieren.

Auch hat der Kläger nichts dazu vorgetragen, weshalb die Zahlungserhöhung trotz der schriftlichen Vereinbarung nicht durchgeführt wurde, d.h. ob es z.B. konkrete Absprachen zwischen den Klägern und den Altenteilern gab. Bei der nach der zitierten Rechtsprechung vorzunehmenden Gesamtbetrachtung stellt sich die Abweichung auch nicht lediglich als ”Unschärfe“ dar, die bei der Prüfung des Rechtsbindungswillens zu vernachlässigen wäre.

In diesem Zusammenhang geht auch der Verweis des Klägers auf die weiteren finanziellen Aufwendungen, die aufgrund des Hofübergabe- und Altenteilsvertrags entstanden sind, fehl. Zwar mag es sich bei den Aufwendungen für die Telefonkosten und die Nebenkosten des Wohnrechts um erhebliche Beträge handeln, die die Barzahlungsverpflichtung betragsmäßig teilweise sogar übersteigen. Diese wurden aber ausdrücklich als gesonderte Verpflichtungen vereinbart. Zwar müssen die ”Gesamtleistungen“ bei der durchzuführenden Gesamtbetrachtung durchaus einbezogen werden. Wenn die Vertragsparteien einer Versorgungsvereinbarung aber neben anderen Aufwendungen für die eine Seite ausdrücklich eine regelmäßig wiederkehrende Barzahlungspflicht vorsehen, kann diese nicht unter Hinweis auf die anderen Aufwendungen von den Beteiligten nach Belieben gehandhabt werden.

Vielmehr sind sie auch hier wie unter fremden Dritten an die schriftlichen Vereinbarungen gebunden und müssen diese entsprechend durchführen. Wären der Kläger und seine Eltern zum Schluss gekommen, dass die Gesamtaufwendungen zu hoch sind, hätte es ihnen freigestanden, den Zahlbetrag entsprechend anzupassen. Denn es liegt in der Rechtsnatur eines Versorgungsvertrages, dass die Vertragspartner z.B. auf geänderte Vertragslagen angemessen reagieren können. Dies wäre z.B. denkbar gewesen, wenn sich kein erhöhter Geldbedarf für den Vater ab dem genannten Stichtag ergeben hätte. Hierzu wurden aber keine Angaben gemacht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Erhöhung der monatlichen Geldzahlungen schlicht vergessen wurde. Dies lässt aber nur den Schluss zu, dass es den Beteiligten bei der Vereinbarung dieser Leistung am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlte. Anderenfalls hätten die Eltern des Klägers unmittelbar nach dem Stichtag für die Erhöhung der Zahlung den sich ergebenden Mehrbetrag ein- und nachfordern und auf eine Einhaltung des Vertrages drängen müssen. Dass dies unterblieben ist, ergibt sich schon daraus, dass eine erhöhte Geldzahlung dann erst 1,5 Jahre später zum 01.02.2013 vorgenommen wurde.

Vor diesem Hintergrund lässt sich laut FG ein anzuerkennender Rechtsbindungswille der Beteiligten auch nicht aus der späteren Erhöhung der Zahlungen ab Februar 2013 rechtfertigen. Auch wenn (ggf. in dem Bemühen, den Fehlbetrag auszugleichen) dann sogar ein Betrag von 350 € gezahlt wurde, erfolgte diese Anpassung erst 1,5 Jahre nach dem eigentlichen Stichtag. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Punkte kommt das FG zu dem Ergebnis, dass den Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrages vom 07.08.2009 insgesamt der Rechtsbindungswille im Hinblick auf die unter § 6 des Hofübergabe- und Altenteilsvertrag geregelten Verpflichtungen zulasten des Klägers fehlte. Zwar mögen die sonstigen Aufwendungen vom Kläger entsprechend getragen worden sein. Angesichts der Tatsache, dass ein wesentlicher Vertragspunkt, die zwischen den Beteiligten ausdrücklich vereinbarte Erhöhung der Zahlungen an die Eltern des Klägers ab dem 65. Geburtstag des Herrn O.M., ohne weitere
Begründung für 1,5 Jahre ausgesetzt wurde, lässt sich erkennen, dass die Beteiligten diesen Regelungen nicht die zwischen fremden Dritten übliche Verbindlichkeit beigemessen haben. Der Sonderausgabenabzug scheidet daher für sämtliche der geltend gemachten Aufwendungen aus.

Hinweis:

Nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde ist nunmehr die Revision beim BFH anhängig (Az: X R 3/20). Es bleibt also noch abzuwarten, ob auch der BFH der fehlenden Erhöhung ein entsprechendes Gewicht beimisst. Insbesondere ist es bedenklich, dass dem Vertrag ab Beginn an, die steuerliche Anerkennung versagt wurde, der mögliche fehlende Rechtsbindungswille setzte erst ab 8/2011 ein, so dass einer Aberkennung des Sonderausgabenabzugs frühestens ab diesem Zeitpunkt zugestimmt werden könnte.

Diese Entscheidung zeigt wieder einmal, wie aufmerksam man sich der Gestaltung von Altenteilsvereinbarungen, deren Durchführung und möglichem Anpassungsbedarf für die Zukunft widmen muss. Passiert dies nicht, kann dies, wie der vorliegende Fall zeigt, erhebliche steuerliche Konsequenzen haben. Wichtig ist, wenn erkannt wird, dass auf Berechtigtenseite der Bedarf nach oben oder unten oder auf Verpflichtetenseite z.B. aufgrund gesunkener Leistungsfähigkeit die Zahlungsvereinbarung angepasst werden müsste, dies unmittelbar, schriftlich für die Zukunft zu
vereinbaren. Sprechen sie ihren Berater daher rechtzeitig an.