Direkt zum Inhalt

Freigebige Zuwendung bei Verschaffung einer Gesamtgläubigerstellung bezüglich eines Nießbrauchsrechts

Eine freigebige Zuwendung einer Gesamtgläubigerstellung an einem Nießbrauchsrecht liegt nach einer
aktuellen Entscheidung des BFH nicht vor, wenn der Berechtigte über die Erträge im Innenverhältnis
rechtlich und tatsächlich nicht frei verfügen kann.

Im Streitfall übertrug der Ehemann der Klägerin mit ihrer Zustimmung in seinem Eigentum stehenden
Grundbesitz durch notariellen Übertragungsvertrag zu je ½ auf die beiden gemeinsamen Söhne. Nach
§ 6 des Übertragungsvertrages behielt sich der Ehemann zu seinen und der Klägerin Gunsten --als
Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB-- den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch an dem
übertragenen Grundbesitz vor. Die Nießbraucher hatten insbesondere auch die Zins- und
Tilgungsleistungen aus den den eingetragenen Grundpfandrechten zugrundeliegenden
Darlehensverbindlichkeiten zu tragen.

Persönlicher Schuldner der Darlehensverbindlichkeiten blieb der Ehemann.
Die auf dem Grundstück befindliche Immobilie war vermietet. Um die Hausverwaltung
kümmerte sich die Klägerin. Der Zahlungsverkehr für den Grundbesitz wurde über ein für diese Zwecke
eingerichtetes, auf den Namen des Ehemanns lautendes Konto abgewickelt (Mietkonto), für das die
Klägerin eine Bankvollmacht hatte. Dazu gehörte die Bedienung der auf dem Grundbesitz liegenden
öffentlichen Lasten, der Darlehensverbindlichkeiten und Zahlung der Erhaltungsaufwendungen. Von dem
Mietkonto erfolgten außerdem monatlich Zahlungen in Investmentfonds und für andere Zwecke
(Arztrechnung) des Ehemanns und zudem Zahlungen für und an den gemeinsamen Sohn zur
Finanzierung dessen Auslandaufenthalts.

Das Finanzamt (FA) sah in der Einräumung des Nießbrauchsrechts eine Schenkung des Ehemanns an
die Klägerin, setzte Schenkungsteuer gegen die Klägerin fest und wies den Einspruch als unbegründet
zurück. Die dagegen eingereichte Klage hatte Erfolg. Das FA legte Revision ein.
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der
Vorbehalt des lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs an dem übertragenen Grundbesitz durch
den Ehemann zu seinen und der Klägerin Gunsten keine schenkungssteuerbare Zuwendung darstellt.

Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit
der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Sie setzt in objektiver Hinsicht
voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und
die Zuwendung objektiv unentgeltlich ist, und in subjektiver Hinsicht den Willen des Zuwendenden zur
Freigebigkeit.

Objektive Unentgeltlichkeit erfordert, dass der Empfänger über das Zugewendete
tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Maßgebend ist ausschließlich die Zivilrechtslage. Eine
Sache kann gemäß § 1030 Abs. 1 BGB in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen
Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen (Nießbrauch).
Gegenstand einer freigebigen Zuwendung kann auch ein solches Nießbrauchsrecht sein.

Werden bei einer Schenkung mehreren Berechtigten Nießbrauchsrechte in der Weise eingeräumt, dass
der Nießbrauch des einen erst mit dem Ableben des anderen entstehen soll (sog. Sukzessivnießbrauch),
ist der für die Zeit nach dem Ableben des zunächst Berechtigten vereinbarte Nießbrauch bei der
Schenkungsteuerveranlagung zunächst nicht zu berücksichtigen, weil er zur Zeit der Zuwendung nicht
bestand, es ungewiss war, ob und ggf. wann er je in Kraft treten würde, und derartige Lasten nach § 6
BewG (aufschiebend bedingte Last) nicht in Ansatz zu bringen sind.

Wird bei Übereignung einer Sache ein Nießbrauch in der Weise vorbehalten, dass der Nießbrauch
dem Übertragenden und einem Dritten gemeinsam zustehen soll, kann hierin die Zuwendung eines
Nießbrauchsrechts an den Dritten liegen. Ist der Nießbrauch in einem solchen Fall so ausgestaltet, dass
den Berechtigten eine Gesamtgläubigerstellung i.S. des § 428 BGB zukommt, beschränkt sich der
Gegenstand der Zuwendung an den Dritten auf die Verschaffung dieser Gesamtgläubigerstellung. Sind
mehrere eine Leistung in der Weise zu fordern berechtigt, dass jeder die ganze Leistung fordern kann,
der Schuldner aber die Leistung nur einmal zu bewirken verpflichtet ist (Gesamtgläubiger), kann der
Schuldner nach seinem Belieben an jeden der Gläubiger leisten (§ 428 BGB). Im Verhältnis zueinander
sind die Gesamtgläubiger zu gleichen Anteilen berechtigt, soweit nicht ein anderes bestimmt ist (§ 430
BGB). Das gilt auch, wenn einer der Gesamtgläubiger nach außen den Nießbrauch im vollen Umfang
allein ausübt.

Eine Bereicherung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt jedoch nach Auffassung des BFH auch bei der
Verschaffung einer Gesamtgläubigerstellung i.S. des § 428 BGB voraus, dass der Bedachte über den
Gegenstand der Zuwendung --die Gesamtgläubigerstellung-- tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann.
Eine freie Verfügungsbefugnis über das Nießbrauchsrecht ist nicht gegeben, soweit aufgrund von
Vereinbarungen der Gesamtgläubiger im Innenverhältnis der Bedachte nicht oder zu einem geringeren
Anteil berechtigt ist als dies § 430 BGB entspräche. Fehlen schriftliche oder mündliche Vereinbarungen
über etwaige von § 430 BGB abweichende Regelungen im Innenverhältnis, kann dem Verhalten der
Gesamtgläubiger, insbesondere im Hinblick auf Verwaltung der und Verfügung über die Erträge,
Indizwirkung darüber zukommen, ob gleichwohl solche Regelungen bestehen. Insoweit wird auf die zu
sog. Oderkonten entwickelten und entsprechend anzuwendenden Grundsätze verwiesen.

Dem FG als Tatsacheninstanz oblag die Feststellung, ob trotz Gesamtgläubigerstellung im
Außenverhältnis im Innenverhältnis etwas anderes bestimmt war. Das FG ist nach Feststellung des BFH
zunächst rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass im Streitfall kein Sukzessivnießbrauch vorlag,
sondern der Ehemann der Klägerin bereits zu deren Lebzeiten ein unbedingtes Nießbrauchsrecht im
Außenverhältnis zugewandt hat.

Angesichts der tatsächlichen Handhabung des Mietkontos, die für sich genommen nicht im Streit steht,
kam das FG zu der begründeten Überzeugung, dass die Klägerin im Verhältnis zu ihrem Ehemann nicht
tatsächlich und rechtlich frei über die Erträge auf dem auf den Namen des Ehemanns lautenden
Mietkonto habe verfügen können und folglich die Voraussetzungen einer nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG
schenkungsteuerbaren Zuwendung des Nießbrauchsrechts mangels Bereicherung nicht vorliegen.

Hinweis:
Der BFH hat es nicht beanstandet, dass das FG das Verhalten der Eheleute in Bezug auf ihr
übriges Vermögen für unerheblich gehalten hat. Insbesondere ergibt sich aus dem Umstand, dass die
Klägerin möglicherweise eigene Einkunftsquellen der Familie zur Verfügung gestellt hat, nicht zwingend,
dass ihr im Gegenzug der Zugriff auf die Nießbrauchserträge eröffnet war.
Zutreffend hat das FG auch nicht nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Zuwendung abgestellt. Für
die Feststellung, ob die Klägerin im Innenverhältnis zu ihrem Ehemann frei über die Erträge aus dem
Nießbrauchsrecht hat verfügen können, darf indiziell nicht nur auf die Handhabung des Kontos seit der
Einräumung des Nießbrauchs, sondern auch auf die Handhabung in der Zeit davor und auf sich daraus
etwa ergebende Unterschiede abgestellt werden.