Direkt zum Inhalt

Abgrenzung land- und forstwirtschaftlicher Hilfsgeschäfte vom gewerblichen Grundstückshandel

Das FG Münster hat sich in vier ähnlichen Sachverhalten (FG Münster, Urteile v. 20.04.2023 – 8 K 259/21 G,F; 280/21 G,E; 328/21 E; 666/21 E,G) zur Frage des gewerblichen Grundstückshandels geäußert. In allen Fällen ging es darum, ob die Erschließung durch ein von der Kommune beauftragtes Erschließungsunternehmen bei einer privatrechtlichen Kostentragungsvereinbarung, mit der der Steuerpflichtige/Grundstückseigentümer sich zur Finanzierung der Erschließungsmaßnahmen (über den nach den §§ 127 ff. BauGB auf den Grundstückseigentümer umlagefähigen Erschließungsbeitrag hinaus) verpflichtet, bei diesem zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels führt.

Bei Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels erfolgt die Veräußerung der Baugrundstücke als Umlaufvermögen und unterliegt der sofortigen Einkommensbesteuerung, sowie der Gewerbesteuer. Wird der gewerbliche Grundstückshandel jedoch verneint, werden die Grundstücksveräußerungen bei Landwirten als Veräußerung von Anlagevermögen gewertet, und der Steuerpflichtige hat die Möglichkeit die Reinvestitionsrücklagen nach §§ 6b,c EStG zu nutzen, um eine sofortige Besteuerung zu vermeiden.

In allen vier Sachverhalten ging es darum, dass die Kommune jeweils mit einem Erschließungsträger Verträge über die Erschließungsmaßnahmen in einem Baugebiet abgeschlossen hatte. Die jeweilige Kommune übertrug jeweils die Erschließung auf den Erschließungsträger, der diese in eigenem Namen und auf eigene Rechnung übernahm. Daneben hatte der Erschließungsträger mit den jeweiligen Grundstückseigentümern (hier: Land- und Forstwirte) Kostenübernahmeverträge zur (Re)Finanzierung der Erschließungsmaßnahmen abgeschlossen. Letztere wurden teilweise vor Abschluss der Erschließungsverträge zwischen Kommune und Erschließungsträger vereinbart.



In der Folge haben die Steuerpflichtigen Baugrundstücke veräußert. Nachdem die Steuerveranlagungen zunächst erklärungsgemäß mit Einkünften aus LuF (inkl. 6b,c-Rücklagen) erfolgten, änderte das jeweilige FA alle Veranlagungen. Sie schlossen sich in allen Fällen der Rechtsauffassung der jeweiligen Betriebsprüfung an. Diese vertrat die Auffassung, dass die Grundstücksveräußerungen, die auf erschlossene veräußerte Grundstücke entfielen, im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels erfolgt und nicht als landwirtschaftliche Hilfsgeschäfte anzusehen seien. Den Steuerpflichtigen seien die Akti-vitäten der jeweiligen Erschließungsträger aufgrund des jeweiligen Gesche-hensablaufs und der Abhängigkeit der Verträge voneinander wirtschaftlich zuzurechnen gewesen. Aufgrund der jeweiligen Kostenübernahmevereinbarung hätte das wirtschaftliche Risiko nicht mehr beim Erschließungsträger, sondern bei den Grundstückseigentümern gelegen.

Der 8.Senat des FG Münster gab in allen vier Fällen den dagegen gerichteten Klagen statt. In den Entscheidungsgründen hat das FG zunächst die bisherigen Rechtsprechungsgrundlagen zur Abgrenzung zwischen land- und forstwirtschaftlichen Hilfsgeschäften und der Annahme eines gewerblichen Grundstückshandels zusammengefasst.

Die Veräußerung von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen eines luf Betriebs gehört, führt grundsätzlich zu Einnahmen aus LuF, weil die Veräußerung ein Hilfsgeschäft der luf Betätigung ist. Das gilt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn ein großes bisher landwirtschaftlich genutztes Grundstück parzelliert wird und zahlreiche Parzellen an verschiedene Erwerber mit erheblichem Gewinn veräußert werden. Ein Land- und Forstwirt veräußert daher Grundvermögen grundsätzlich als reinvestitionsbegünstigtes Anlagevermögen, solange er nicht einen gewerblichen Grundstückshandel eröffnet.

Grundstücksveräußerungen sind erst dann Gegenstand eines selbständigen gewerblichen Grundstückshandels und nicht mehr landwirtschaftliches Hilfsgeschäft, wenn der Landwirt über die Parzellierung und Veräußerung hinausgehende Aktivitäten entfaltet, die darauf gerichtet sind, den zu veräußernden Grundbesitz zu einem Objekt anderer Marktgängigkeit zu machen. Denn damit verwendet der Landwirt die Grundstücke seines Anlagevermögens wie ein Gewerbetreibender und erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 EStG. Mit den in Veräußerungsabsicht vorgenommenen, werterhöhenden Aktivitäten werden die Grundstücke zum gewerblichen Umlaufvermögen.

Ob die Aktivitäten im Zusammenhang mit Grundstücksveräußerungen zu einer gewerblichen Tätigkeit führen oder ob sie als landwirtschaftliche Hilfsgeschäfte einzustufen sind, muss nach denselben Grundsätzen beurteilt werden, die von der Rechtsprechung zur Abgrenzung eines gewerblichen Grundstückshandels von einer privaten Vermögensverwaltung entwickelt worden sind. Bei der Abgrenzung zwischen dem Gewerbebetrieb einerseits und der Vermögensverwaltung andererseits ist nach der Rechtsprechung des BFH auf das Gesamtbild der

Verhältnisse und die Verkehrsauffassung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen, dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist.

Soweit die Aktivitäten im Zusammenhang mit der Bebaubarkeit des Grundstücks nach öffentlichem Recht (BauGB) stehen, ist danach zu differenzieren, ob sich diese im Rahmen der Mitwirkungsrechte nach den einschlägigen bau- und/oder bauordnungsrechtlichen Regelungen bewegen oder ob die Aktivitäten bereits als Übernahme kommunaler Aufgaben zu qualifizieren sind.

Für die Beurteilung als landwirtschaftliches Hilfsgeschäft schädlich sind danach die Beantragung eines Bebauungsplans und dessen Finanzierung oder die aktive Mitwirkung an der Erschließung. Die Anlage von Straßen und Abwasserkanälen oder die Verlegung von Versorgungsleitungen ist auch dann schädlich, wenn der Landwirt keinen Einfluss auf die Erstellung des Bebauungsplans genommen hat.

In solchen Fällen lässt sich ein landwirtschaftliches Hilfsgeschäft nicht schon daraus ableiten, dass mit den Verkäufen eine Notlage abgewendet oder betriebliche Schulden getilgt werden sollten oder dass mit den Verkaufserlösen der landwirtschaftliche Betrieb arrondiert oder verbessert werden sollte. Allerdings können solche Umstände als Beweisanzeichen für eine Tätigkeit angesehen werden, die nicht gewerblicher Natur ist.

Demgegenüber reichen allein die wiederholte Vorsprache bei den Entscheidungsträgern der Gemeinde, die Vorlage eigener Planungsentwürfe und die Anregung zur Vornahme der Erschließung in Teilabschnitten, solange der Landwirt keine kommunalen Aufgaben übernimmt, sondern lediglich im Rahmen seiner Mitwirkungsrechte tätig ist, nicht aus, um einen gewerblichen Grundstückshandel anzunehmen. Ebenso sind unter diesen Voraussetzungen auch die bloße Übernahme der Kosten der Planung und Erschließung sowie die Bereitstellung von Ausgleichsflächen für die Belange des Naturschutzes und der Abwasserentsorgung unschädlich. Selbiges gilt für die vertragliche Vorfinanzierung der anschlie-ßend auf die Erwerber überwälzten Erschließungskosten und/oder die unentgeltliche Bereitstellung von Straßenland durch den veräußernden Landwirt ein-schließlich der entsprechenden Baulastbewilligung. Für eine aktive Beteiligung an der Erschließung genügt auch der Abschluss eines Erschließungsvertrags mit der Gemeinde für sich genommen nicht; maßgeblich ist, auf wessen Initiative das Vertragswerk zustande gekommen ist.

Die Erschließung des Baugeländes ist dem Verkäufer allerdings dann als eigene Tätigkeit zuzurechnen, wenn er sich zu ihrer Durchführung eines Dritten bedient, der Geschäfte dieser Art gewerblich betreibt. Das gilt auch dann, wenn der Grundstückseigentümer die durch die Beauftragung des Dritten entstehenden Kosten als Teil des Gesamtkaufpreises von den Parzellenkäufern verlangt.



Dagegen können dem Grundstückseigentümer die Aktivitäten eines Dritten nicht zugerechnet werden, wenn dieser die Erschließung und Vermarktung der Grundstücke aus eigener Initiative und auf eigenes Risiko durchführt, und sich die Mitwirkung des Grundstückseigentümers im Wesentlichen darauf beschränkt, dessen gewerbliche Tätigkeit zu ermöglichen. Denn in einem solchen Fall bedient sich nicht der Grundstückseigentümer des Dritten. Vielmehr verhält es sich umgekehrt; die Mitwirkung des Grundstückseigentümers dient dann der Verwirklichung der gewerblichen Zwecke des Dritten.

Ausgehend von diesen Grundsätzen hatten die jeweiligen Steuerpflichtigen in den Streitfällen die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel nicht überschritten. Die Errichtung der Erschließungsanlagen war ihnen nicht zuzurechnen.

Die gewerbliche Tätigkeit bezüglich der Erschließungsmaßnahmen haben jeweils die Erschließungsträger entfaltet. Denn sie waren aufgrund der Erschließungsverträge den Kommunen gegenüber zur Durchführung der Erschließungsmaßnahmen verpflichtet und haben diese im eigenen Namen sowie auf eigene Rechnung übernommen. Demgegenüber haben die Steuerpflichtigen gerade keine Verträge zur Übernahme der Erschließungsmaßnahmen abgeschlossen. Die Erschließungsmaßnahmen sind den Steuerpflichtigen daher auch nicht zuzurechnen. Die Verträge zwischen der Erschließungsgesellschaft und den Grundstückseigentümern enthielten ausschließlich Regelungen zur Kostentragung. Dadurch wurde kein Auftragsverhältnis begründet, dass eine Zurechnung gerechtfertigt hätte.

Gem. § 123 Abs. 1 BauGB ist die Erschließung im Grundsatz als Aufgabe der Gemeinde ausgestaltet. Die gesetzliche Zuweisung bedeutet jedoch nicht, dass die Gemeinde die Erschließungsanlagen selbst herstellen muss. § 124 Abs. 1 BauGB a.F. bzw. § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB n.F. ermöglicht es vielmehr, die Durchführung der Erschließung durch Vertrag auf einen Dritten zu über-tragen. Mit Abschluss eines solchen Erschließungsvertrags kann die Gemeinde hingegen nicht ihre Erschließungslast nach § 123 Abs. 1 BauGB sowie ihre Hoheitsrechte übertragen, im Außenverhältnis bleibt die Gemeinde für die Erschließung verantwortlich. Der Erschließungsvertrag, der die Rechtsbeziehung der Gemeinde als Trägerin der Erschließungslast i. S. d. § 123 Abs. 1 BauGB zum Erschließungsträger regelt, ist von der Rechtsbeziehung zwischen dem Erschließungsträger und den Grundstückseigentümern betreffend die Kostenerstattung für die Erschließungsmaßnahmen zu unterscheiden. Da letztere Rechtsbeziehung zivilrechtlicher Natur ist, konnten die Steuerpflichtigen keine kommunale Aufgabe übernommen haben.

Die Finanzämter führten zwar insoweit zutreffend aus, dass zwischen den Kommunen, den Erschließungsträgern und den Grundstückseigentümern ein Dreiecksverhältnis bestand. Denn die Kommunen hatten die Durchführung und finanzielle Abwicklung der Erschließung auf den Erschließungsträger übertragen. Dieser refinanzierte sich jeweils privatrechtlich bei den Grundstückseigentümern, indem diese sich verpflichteten, dem Erschließungsträger die ihm aus der Erfüllung des mit der Kommune geschlossenen Erschließungsvertrages entstehenden Kosten zu ersetzen. Diese Verträge wurden damit nicht unabhängig von dem jeweiligen Erschließungsvertrag geschlossen. Das konkrete Auftragsverhältnis bestand jedoch zwischen der jeweiligen Kommune und dem Erschließungsträger. Denn die Kostenerstattungsvereinbarung begründet gerade keinen eigenen Leistungsanspruch der Grundstückseigentümer auf die Herstellung der Erschließungsanlagen i. S. d. BauGB. Diese werden vielmehr für die Kommune hergestellt und von dieser abgenommen; auch stehen alleine der Kommune die Gewährleistungsansprüche zu.

Auch die wiederholte Teilnahme an Eigentümerversammlungen unter Teilnahme der Kommunen und der Erschließungsträger, auf denen u.a. die Art und Umfang der Erschließungsmaßnahmen besprochen wurde war unschädlich, da die Teilnahme nicht über die Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte hinaus ging.

Der Umfang der nachfolgenden Veräußerungsgeschäfte führt nach ständiger Rechtsprechung ebenfalls nicht zum gewerblichen Grundstückshandel.

Danach stellten die Veräußerungsvorgänge luf Hilfsgeschäfte dar. Die daraus resultierenden Gewinne konnten in 6b,c-Rücklagen eingestellt werden.

Hinweis: In allen Verfahren wurde die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die Rechtsfrage zugelassen, ob die Erschließung durch ein von der Kommune beauftragtes Erschließungsunternehmen bei einer privatrechtlichen Kostentragungsvereinbarung, mit der der Steuerpflichtige sich zur Finanzie-rung der Erschließungsmaßnahmen (über den nach den §§ 127 ff. BauGB auf den Grundstückseigentümer umlagefähigen Erschließungsbeitrag hinaus) verpflichtet, zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels führt. Insoweit bleibt der Ausgang dieser Revisionen abzuwarten.