Wachstumschancengesetz
Mit dem "Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness" – kurz "Wachstumschancengesetz" – , dass das Bundeskabinett am 30.08.2023 beschlossen hat, soll die Liquiditätssituation der Unternehmen verbessert werden. Außerdem sollen Impulse gesetzt werden, damit Unternehmen dauerhaft mehr investieren und mit unternehmerischem Mut Innovationen wagen können. Dies ist laut der Begründung des Gesetzentwurfs wichtig, um die Transformation der Wirtschaft zu begleiten sowie die Wettbewerbsfähigkeit, die Wachstumschancen und den Standort Deutschland zu stärken. Daneben will das BMF das Steuersystem an zentralen Stellen vereinfachen und durch Anhebung von Schwellenwerten und Pauschalen vor allem kleine Betriebe von Bürokratie entlasten. Außerdem sollen Maßnahmen ergriffen werden, die dazu beitragen, unerwünschte Steuergestaltungen aufzudecken und abzustellen. Darüber hinaus soll das Steuerrecht im Rahmen des im Koalitionsvertrag Vereinbarten weiter modernisiert werden.
Wegen des Umfangs der vorgesehenen Maßnahmen wird hier nur auf einige hingewiesen.
1. Einkommensteuer
1.1 Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, § 3 Nr. 73 EStG
Mit einer Steuerfreigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung i. H. v. 1.000 EUR soll eine bürokratieentlastende Regelung geschaffen werden. Sofern die Ausgaben die mit ihnen in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Einnahmen übersteigen, sollen die Einnahmen auf Antrag als steuerpflichtig behandelt werden können (Einkommensteuererklärung). Gilt ab Veranlagungszeitraum (VZ) 2024.
1.2 Geschenke, § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG
Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dürfen den Gewinn nicht mindern, wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der dem Empfänger im Wirtschaftsjahr zugewendeten Gegenstände insgesamt 35 EUR nicht übersteigen. Dieser Betrag soll auf 50 EUR angehoben werden. Gilt erstmals für Wirtschaftsjahre mit Beginn nach 31.12.2023.
1.3 Sonderregelung der privaten Nutzung von Elektrofahrzeugen, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 Nr. 3 EStG
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 Nr. 3 EStG (1 %-Regelung) ist bei der privaten Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs, das keine CO2-Emissionen hat (reine Elektrofahrzeuge, inkl. Brennstoffzellenfahrzeuge) nur ein Viertel der Bemessungsgrundlage (Bruttolistenpreis) und nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 Nr. 3 EStG (Fahrtenbuchregelung) nur ein Viertel der Anschaffungskosten oder vergleichbarer Aufwendungen anzusetzen. Dies gilt bislang jedoch nur, wenn der Bruttolistenpreis des Kraftfahrzeugs nicht mehr als 60.000 EUR beträgt. Zur Steigerung der Nachfrage unter Berücksichtigung der Ziele zur Förderung einer nachhaltigen Mobilität und um die gestiegenen Anschaffungskosten solcher Fahrzeuge praxisgerecht abzubilden, wird der bestehende Höchstbetrag von 60.000 EUR auf 80.000 EUR angehoben. Dies gilt entsprechend bei der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs an Arbeitnehmer (§ 8 Abs. 2 Satz 2, 3 und 5 EStG). Gilt für Kraftfahrzeuge, die nach dem 31.12.2023 angeschafft werden.
1.4 Geringwertige Wirtschaftsgüter, § 6 Abs. 2, Abs. 2a Satz 1 und Satz 2 EStG
Gegenwärtig können die Anschaffungs- oder Herstellungskosten geringwertige Wirtschaftsgüter sofort vollständig abgezogen werden, wenn sie nicht mehr als 800 EUR betragen. Dieser Wert soll in Zukunft bei 1.000 EUR liegen. Für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, kann derzeit ein Sammelposten gebildet werden, wenn die jeweiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten 250 EUR, aber nicht 1.000 EUR übersteigen. Hier soll die Anhebung der Betragsgrenze von 1.000 EUR auf 5.000 EUR erfolgen und die Auflösungsdauer von 5 Jahre auf 3 Jahre verringert werden. Die Wirtschaftsgüter, die in einem Sammelposten zusammengefasst werden, müssen nicht in einem gesonderten Verzeichnis erfasst werden. Der Zugang dieser Wirtschaftsgüter wird lediglich buchmäßig erfasst. Gilt für Anschaffung von Wirtschaftsgütern nach 31.12.2023.
1.5 Befristete Wiedereinführung der degressiven AfA, § 7 Abs. 2 Satz 1 EStG
Die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wurde mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz zum 1.1.2020 eingeführt und mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz bis zum 31.12.2022 verlängert. Aufgrund der derzeitigen Krisensituation soll die degressive Abschreibung auch für Wirtschaftsgüter in Anspruch genommen werden können, die nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.1.2025 angeschafft oder hergestellt worden sind.
1.6 Befristete Einführung einer degressiven AfA für Wohngebäude, § 7 Abs. 5a (neu) EStG
Eine degressive Abschreibung i. H. v. 6 % soll für Gebäude ermöglicht werden, die Wohnzwecken dienen und die vom Steuerpflichtigen hergestellt oder bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft worden sind. Im Jahr der
Anschaffung oder Herstellung erfolgt die Abschreibung zeitanteilig. Der Steuerpflichtige hat ein Wahlrecht, zur linearen AfA nach Absatz 4 zu wechseln. Solange die degressive Absetzung vorgenommen wird, sind Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzungen nicht zulässig. Soweit diese eintreten, kann zur linearen AfA gewechselt werden.
Die degressive AfA kann für alle Wohngebäude, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes belegen sind, in Anspruch genommen werden.
Die degressive AfA kann erfolgen, wenn mit der Herstellung nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 begonnen wird. Im Fall der Anschaffung ist die degressive Afa nur dann möglich, wenn der obligatorische Vertrag nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 rechtswirksam abgeschlossen wird.
1.7 Sonderabschreibung, § 7g Abs. 5 EStG
Die Sonderabschreibung beträgt derzeit bis zu 20 Prozent der Investitionskosten und gilt für Betriebe, die die Gewinngrenze von 200.000 EUR im Jahr, das der Investition vorangeht, nicht überschreiten. Zukünftig sollen bis zu 50 Prozent der Investitionskosten abgeschrieben werden können. Gilt für Anschaffung von Wirtschaftsgütern nach 31.12.2023.
1.8 Erweiterter Verlustrücktrag, § 10d Abs. 1 EStG
Der mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz auf zwei Jahre erweiterte Verlustrücktrag soll um ein weiteres Jahr auf drei Jahre ausgedehnt werden. Darüber hinaus sollen die ab dem VZ 2020 auf 10 Mio. EUR bzw. auf 20 Mio. EUR (Ehegatten) angehobenen Betragsgrenzen beim Verlustrücktrag dauerhaft beibehalten werden.
Die Erweiterungen des Verlustrücktrags gelten auch für die Körperschaftsteuer (§§ 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG). Gilt ab VZ 2024.
1.9 Erweiterter Verlustvortrag, § 10d Abs. 2 EStG
Nach dem geltenden Recht ist bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. EUR bzw. 2 Mio. EUR (Ehegatten) der Verlustvortrag für jedes Verlustvortragsjahr unbeschränkt möglich. Für den Teil, der den Sockelbetrag überschreitet, ist der Verlustvortrag auf 60 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt.
Für die Veranlagungszeiträume 2024 bis 2027 wird der Verlustvortrag auf 80 % des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt. Die Erweiterungen des Verlustvortrags gelten auch für die Körperschaftsteuer (§§ 8 Abs. 1 KStG i .V. m. § 31 Abs. 1 Satz 1 KStG).
Ab dem Veranlagungszeitraum 2028 soll bei der sog. Mindestgewinnbesteuerung die Prozentgrenze von 60 % wieder angewandt werden.
1.10 Anhebung der Freigrenze für private Veräußerungsgeschäfte, § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG
Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sollen steuerfrei bleiben, wenn der im Kalenderjahr erzielte Gesamtgewinn weniger als 600 EUR beträgt (Freigrenze). Werden Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und hat jeder von ihnen Veräußerungsgewinne erzielt, steht jedem Ehegatten die Freigrenze einzeln zu. Die Freigrenze soll auf 1.000 EUR erhöht werden.
1.11 Keine Besteuerung der sog. "Dezemberhilfe 2022", §§ 123 bis 126 EStG
Auf die Besteuerung der sogenannten Dezember-Soforthilfe für die hohen Kosten für Erdgas soll verzichtet werden. Die Regelungen sollen daher ersatzlos gestrichen werden.
2. Umsatzsteuer:
2.1 Umsatzsteuervoranmeldung, § 18 UStG
Auf die Übermittlung einer Umsatzsteuervoranmeldung wird bei Kleinunternehmern i. S. v. § 19 Abs. 1 UStG grundsätzlich verzichtet. Neu ist, dass Unternehmer durch das Finanzamt von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldung und Entrichtung der Vorauszahlung befreit werden sollen, wenn die Steuer für das vorausgegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 EUR (bisher 1.000 EUR) betragen hat. Gilt ab Besteuerungszeitraum 2024.
2.2 Umsatzsteuererklärung von Kleinunternehmern, § 19 Abs. 1 Satz 4 UStG
Kleinunternehmer sollen künftig grundsätzlich von der Übermittlung von Umsatzsteuererklärungen für das Kalenderjahr befreit sein. Dies soll jedoch nicht die Fälle des § 18 Abs. 4a UStG betreffen. Auch bei Aufforderung zur Abgabe durch das Finanzamt (vgl. § 149 Abs. 1 Satz 2 AO) soll die Erklärungspflicht noch bestehen bleiben. Die Regelung soll erstmals auf den Besteuerungszeitraum 2023 anzuwenden sein (§ 27 Abs. 38 UStG-E).
2.3 Ist-Besteuerung, § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG
Die Möglichkeit der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten statt vereinbarten Entgelten soll von 600.000 EUR auf 800.000 EUR angehoben werden. Gilt ab Besteuerungszeitraum 2024.
2.4 Land- und forstwirtschaftliche Umsätze, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 UStG
Der Durchschnittssteuersatz und die Vorsteuerpauschale für Land- und Forstwirte sollen von 9 Prozent auf 8,4 Prozent sinken, sodass im Einzelfall zu erwägen ist, auf die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung zu verzichten, wenn erhebliche Investitionen mit hohem Vorsteuerabzug getätigt werden. Gilt ab Besteuerungszeitraum 2024.
3. Erbschaftsteuer
3.1 Rechtsfähige Personengesellschaften, § 2a ErbStG
In Hinblick auf die mit dem Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz (MoPeG) eintretenden Rechtsänderungen soll klargestellt werden, dass das Transparenzprinzips und das Gesamthandsprinzips fortgeführt wird. Bei einer Zuwendung an eine rechtsfähige Personengesellschaft gelten deren Gesellschafter als Erwerber. Bei einer Zuwendung durch eine rechtsfähige Personengesellschaft gelten deren Gesellschafter als Zuwendende.
4. Abgabenordnung
4.1 Grenzen für die Buchführungspflicht, § 141 AO
Gewerbliche Unternehmer sowie Land- und Forstwirte, die für den einzelnen Betrieb einen Gesamtumsatz von mehr als 600.000 EUR im Kalenderjahr erzielen sind nach bisheriger Rechtslage verpflichtet, Bücher zu führen. Diese Betragsgrenze soll auf 800.000 EUR erhöht werden. Eine Buchführungspflicht entsteht auch ab einem Gewinn i. H. v. 60.000 EUR. Diese Betragsgrenze soll auf 80.000 EUR erhöht werden. Gilt für Wirtschaftsjahre mit Beginn nach dem 31.12.2023.
4.2 Grenze für die Aufbewahrungspflicht bei Überschusseinkünften, § 147a Abs. 1 AO
Steuerpflichtige, die Überschusseinkünfte von mehr als 500.000 EUR im Kalenderjahr erzielen, haben die Aufzeichnungen und Unterlagen über die den Überschusseinkünften zu Grunde liegenden Einnahmen und Werbungskosten 6 Jahre aufzubewahren. Diese Betragsgrenze soll auf 750.000 EUR erhöht werden. Gilt ab VZ 2027. Darüber hinaus wird klargestellt, dass bestehende Aufbewahrungsfristen, die bereits bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2026 entstanden sind, weiterhin fortgelten, auch wenn die Einkunftsgrenze ab dem Veranlagungszeitraum 2027 nicht mehr überschritten wird.
5. Grunderwerbsteuer
5.1. Grunderwerbsteuergesetz, Anpassung an das MoPeG; § 23 Abs. 25 GrEStG
Die Erörterungen mit den Ländern in Bezug auf die künftige Ausgestaltung der Steuervergünstigungen und der Ergänzungstatbestände sind noch nicht abgeschlossen. Die Steuervergünstigen, die auf die Gesamthand (Gemeinschaft zur gesamten Hand) abzielen, haben mit dem In Kraft treten des MoPeG ab dem 1.1.2024 keinen Anwendungsraum mehr. Ab dem 1.1.2024 gibt es für die Grunderwerbsteuer, welches auf das Zivilrecht abstellt, keine Gesamthand mehr, so dass der jeweilige Regelungsinhalt des § 5 Abs. 1 und 2 GrEStG, des § 6 Abs. 3 Satz 1 GrEStG sowie des § 7 Abs. 2 GrEStG ins Leere läuft.
Um der Wirtschaft zumindest Rechtssicherheit bezüglich der Auswirkungen des MoPeG zum 31.12.2023 auf laufende Nachbehaltensfristen des § 5 Abs. 3 Satz 1, § 6 Abs. 3 Satz 2 und § 7 Abs.
3 Satz 1 GrEStG zu verschaffen, wird § 23 Abs. 25 GrEStG eingefügt. Die Regelung stellt klar, dass allein der weitgehende Entfall des Gesamthandsvermögens nicht zu einer Verletzung laufender Nachbehaltensfristen führt. Die Nachbehaltensfristen gelten weiter; sie werden verletzt, wenn sich der Anteil am Gesellschaftsvermögen innerhalb der Nachbehaltensfrist vermindert.
Die Beratungen zum Gesetzgebungsverfahren laufen noch. Nach der derzeitigen Planung soll der Bundestag dem Gesetz am 10.11.2023 zustimmen und der Bundesrat am 15.12.2023.