Bezieht ein landwirtschaftlich tätiges Unternehmen, dessen Umsätze der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG unterliegen, mit Umsatzsteuer belastete Eingangsleistungen, ist der Vorsteuerabzug über die gesetzliche Pauschalregelung hinaus auch dann ausgeschlossen, wenn die Tätigkeit im Folgejahr aufgrund des Überschreitens der vom Gesetzgeber für die Durchschnittssatzbesteuerung festgelegten Umsatzgrenze der Regelbesteuerung unterliegt und die im Vorjahr bezogenen Leistungen zur Ausführung umsatzsteuerpflichtiger Ausgangsleistungen verwendet werden. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem Revisionsverfahren entschieden und damit die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben (Urteil vom 12.07.2023 – XI R 14/22).
Die Ausgangssituation stellte sich wie folgt dar: Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) war Inhaberin eines landwirtschaftlichen Betriebs, in dem Milchkühe gehalten wurden. Die weibliche Nachzucht wurde im Betrieb selbst aufgezogen. Im Jahr 2021 unterlagen die Ausgangsumsätze des Milchkuhbetriebs der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG, die den Vorsteuerabzug über den im Gesetz festgelegten pauschalen Wert hinaus ausschließt.
Aufgrund der Geschäftsentwicklung stand bereits vor Ablauf des Jahres 2021 fest, dass der Umsatz der GbR die Umsatzgrenze für die Durchschnittssatzbesteuerung überschreiten und daher zum 01.01.2022 der Wechsel zur Regelbesteuerung erfolgen würde.
Vor diesem Hintergrund entschied sich die GbR, bereits im Jahr 2021 von ihr gezahlte Umsatzsteuer über die gesetzliche Pauschalregelung hinaus als Vorsteuer abzuziehen. Dabei handelt es sich um Vorsteuerbeträge, die mit von der GbR bezogenen umsatzsteuerpflichtigen Eingangsleistungen zusammenhingen. Diese wurden für die Aufzucht von Kühen verwendet, die erst nach dem Abkalben im Jahr 2022 begannen, Milch zu erzeugen, deren Verkauf dann aufgrund des Übergangs zur Regelbesteuerung der Umsatzsteuer unterlag. Das Finanzamt lehnte es allerdings ab, den über den § 24 UStG hinausgehenden Vorsteuerabzug anzuerkennen. Es bestand auf dem Wechselstichtag 01.01.2022. Erst ab diesem Zeit-punkt dürfe die beim Bezug von Eingangsleistungen entrichtete Umsatzsteuer in angefallener Höhe als Vorsteuer abgezogen werden.
Die GbR klagte vor dem Niedersächsischen Finanzgericht gegen die restriktive Haltung des Finanzamtes und bekam Recht. Das Gericht stützte seine Entscheidung auch auf die EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL). Doch das Finanzamt legte erfolgreich Revision beim BFH ein, der die Entscheidung der Vorinstanz wieder aufhob.
Nach Ansicht des BFH ist in der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG, die im konkreten Fall erst mit Ablauf des Jahres 2021 endete, eine Regelung zu sehen, die ausschließt, dass neben der Vorsteuerpauschalierung zusätzlich aufgrund von einzelnen Leistungsbezügen Vorsteuer abgezogen wird. Das EU-Recht steht einer solchen Rechtsauslegung nicht entgegen.
In seinem Urteil wies der BFH abschließend auf Folgendes hin: Kommt es wie im vorliegenden Fall zwischen Leistungsbezug und Verwendungsumsatz zu einem Übergang von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung, besteht grundsätzlich die Möglichkeit zur nachträglichen Berichtigung des Vorsteuerabzugs (§ 15a UStG). Dieser Hinweis des BFH klingt zwar verheißungsvoll, hat aber einen Haken. Denn bezogen auf ein Wirtschaftsgut, zum Beispiel eine Kuh, ist eine Vorsteuerberichtigung nur zulässig, wenn bei dessen Anschaffung oder Herstellung Vorsteuer von mehr als 1.000 € entstanden ist. Bei vielen landwirtschaftlichen Wirtschaftsgütern wird diese Hürde zu hoch sein.