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Falscher Umsatzsteuerausweis

Ein gemeinnütziger Verein (Verbraucherzentrale) hatte einzelne Verbraucher individuell gegen Entgelt beraten. Das Finanzamt ordnete diese Tätigkeit dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu. Das Finanzamt teilte dem Verein mit, dass 
•    die Umsätze aus diesem Tätigkeitsbereich nicht dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterlägen, 
•    der steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetrieb buchhalterisch und finanziell von den steuerbegünstigten Tätigkeitsbereichen getrennt geführt werden müsse und 
•    Verluste des steuerpflichtigen Geschäftsbetriebs nicht durch Mittel der steuerbegünstigten Tätigkeitsfelder oder der Vermögensverwaltung des Vereins ausgeglichen werden dürften. 
 

Da dies bundesweit bis dahin anders gehandhabt worden war, gab es eine Übergangsregelung bis zum 31.12.2011. Ab 2012 rechnete der Verein seine individuellen Leistungen daher mit 19 % ab. Trotzdem legte der Verein gegen die Umsatzsteuerfestsetzung in Form der Umsatzsteuererklärung Einspruch ein und begehrte weiterhin den ermäßigten Steuersatz. Auch die individuellen Beratungen gehörten in diesem Fall zum Zweckbetrieb des Vereins und unterlägen daher dem ermäßigten Steuersatz. 
 

Dass die Leistungen aufgrund europäischen Rechts weiterhin dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, war recht schnell klar und wurde dann vom Finanzamt auch nicht mehr infrage gestellt. Das Finanzamt wollte dennoch die höhere Umsatzsteuer behalten, da die Verbraucherzentrale mit 19 % statt 7 % abgerechnet hatte. In Höhe der Differenz läge sogenannte unberechtigte Umsatzsteuer vor. Eine Berichtigung der Rechnungen ist zwar grundsätzlich möglich, im vorliegenden Fall jedoch kaum umsetzbar, da die Leistungen an Endverbraucher erbracht wurden. Das Ganze ging vor Gericht. Der BFH hat die Klage abgewiesen. 
 

Vor dem Hintergrund der neueren EuGH-Rechtsprechung lässt sich diese Rechtsauffassung aber nicht mehr aufrechterhalten. Denn der EuGH entschied: „Ein Steuerpflichtiger, der eine Dienstleistung erbracht und in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen hat, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, schuldet den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil diese Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.“
 

Das ist eine Klatsche für den BFH und auch für die Finanzverwaltung: Wenn ein Unternehmer in einer Rech-nung an einen Endverbraucher die Umsatzsteuer falsch ausweist, schuldet er nicht mehr den Mehrbetrag. 
 

Die Finanzverwaltung setzt diese neue Rechtsprechung nunmehr um und stellt dabei klar, dass dies auch in den Fällen gilt, in denen ein Kleinunternehmer Umsatzsteuer in der Rechnung ausweist. 
Allerdings gelten die obigen Ausführungen nicht beim Steuerausweis 
•    durch einen Unternehmer außerhalb seines unternehmerischen Bereichs, 
•    durch einen Nichtunternehmer oder 
•    in Fällen ohne eine Leistungserbringung.
Entscheidend ist, dass die Leistungen an einen Endverbraucher erbracht wurden. Daher ist diese positive Recht-sprechung auch nicht auf die Fälle zu übertragen, in denen die fragliche Rechnung
•    an einen Unternehmer für dessen unternehmerischen Bereich,
•    an einen Kleinunternehmer, 
•    einen pauschalierenden Land- und Forstwirt oder
•    einen Unternehmer mit Ausgangsumsätzen, die den Vorsteuerabzug ganz oder teilweise ausschließen, er-teilt worden ist,
denn auch in diesen Fällen sei ein Vorsteuerabzug, z. B. durch eine spätere Option zur Steuerpflicht oder über eine spätere Vorsteuerberichtigung nicht ausgeschlossen.
 

Dass ein solcher Fall erst durch alle Instanzen ziehen muss, ist schon befremdlich: Der Verein setzt die Vorgaben der Finanzverwaltung um, ist jedoch anderer Rechtsauffassung, setzt diese durch und soll dann doch auf der Steuer hängen bleiben. Jetzt gibt es aber insoweit Rechtssicherheit (BMF-Schreiben vom 27.02.2024, DStR 2024, S. 494).