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Zur Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage

In seinem Urteil vom 27.11.2012 – 2 K 3380/10 hat das Finanzgericht München (FG) entschieden, dass bei Leistungen an einen zwar nahestehenden, aber vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer, die sog. Mindestbemessungsgrundlage keine Anwendung findet.

Entgeltliche Leistungen, die Personenvereinigungen, Körperschaften oder Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Gesellschafter, Mitglieder, Anteilseigner, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen ausführen, unterliegen gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) der sog. Mindestbemessungs-grundlage. Dies bedeutet, dass die Besteuerung gegenüber dieser Personengruppe nicht auf der Grundlage des vereinbarten Entgelts, sondern nach den Bemessungsgrundlagen des § 10 Abs. 4 UStG erfolgt. Die Finanzbehörden wenden diese „Mindestbemessungsgrundlage“ zumeist auch dann an, wenn über eine ordnungsgemäß durchgeführte Lieferung an einen vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer abgerechnet wird.

Im vorliegenden Fall ist streitig, ob für die Ermittlung der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage für die Verpachtung von landwirtschaftlichen Anlagen an eine nahestehende Person die Mindestbemessungsgrundlage maßgeblich ist. Klägerin ist eine Grundstücksgemeinschaft mit den Eheleuten A und B als Gemeinschafter. Die Klägerin begann im Jahr 2005, auf einem im Eigentum der Gemeinschafter stehenden Grundstück eine Schweinezuchtanlage zu errichten. Im Jahr 2006 verpachtete die Klägerin diese Anlagen an den Sohn der Gemeinschafter. Das Finanzamt war der Auffassung, dass für die Besteuerung der Verpachtung nicht der vereinbarte Pachtzins, sondern die Mindestbemessungsgrundlage anzuwenden sei. Das FG sah dies anders.

Das FG führt aus, dass das Finanzamt zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass als Bemessungsgrundlage für die besagten Verpachtungsumsätze nicht das Entgelt, sondern die sogenannte Mindestbemessungsgrundlage anzuwenden ist. Das Gericht ist der Auffassung, dass die Anwendung der sogenannten Mindestbemessungsgrundlage nur insoweit durch Art. 27 der 6. EG-Richtlinie (EG-Umsatzsteuerrichtlinie) gedeckt ist, als diese der Verhütung von Steuerhinterziehung oder -umgehung dient. Im vorliegenden Fall bestand aber keine Gefahr der Steuerhinterziehung oder -umgehung, wenn die Leistung an einen zwar nahestehenden, aber vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer erfolgt ist.

Mit Urteil vom 26.4.2012 – Rs. C-621/10 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass Art. 80 MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass die darin aufgestellten Anwendungsvoraussetzungen erschöpfend sind. Nationale Rechtsvorschriften können demnach nicht bestimmen, dass die Steuerbemessungsgrundlage in anderen als den in dieser Regelungen aufgezählten Fällen ein – vom Entgelt abweichender höherer – sogenannter Normalwert des Umsatzes ist, insbesondere wenn der Steuerpflichtige zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG (jetzt Art. 73 MwStSystRL) besagt, dass als Mehrwertsteuer kein Betrag erhoben werden darf, der den dem Steuerpflichtigen gezahlten Betrag übersteigt.

Das FG stellt klar, dass § 10 Abs. 5 UStG zwar nicht auf der Grundlage von Art. 80 Abs. 1 MwStSystRL erlassen worden ist, sondern auf Grundlage einer Ratsermächtigung nach Art. 27 Abs. 1 RL 77/388/EWG. Jedoch ist davon auszugehen, dass nach Art. 27 Abs. 1 RL 77/388/EWG eine Sondermaßnahme nur zur Verhinderung von Steuer-hinterziehung und -umgehung eingeführt werden darf.

Das FG hat die Revision zugelassen. Ein Aktenzeichen des BFH ist noch nicht bekannt.