Auch sogenannte qualifizierte Prüfungshandlungen, die nur ein Prüfungsjahr betreffen,
führen dazu, dass die Außenprüfung insgesamt (also auch bezogen auf andere Prüfungsjahre)
als nicht unmittelbar nach dem Prüfungsbeginn unterbrochen i.S. des § 171 Abs. 4 Satz 2
Abgabenordnung (AO) gilt. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 26.4.2017– I R
76/15 entschieden.
Bei dem besagten Verfahren ging es um einen Großbetrieb, demgegenüber das Fi nanzamt am
1.11.2006 eine Prüfungsanordnung für die Jahre 2001 und 2002 erlassen hatte. Auf der
Grundlage der am 14.1.2003 für 2001 und am 8.4.2004 für 2002 eingereichten
Steuererklärungen war die Behörde zunächst erklärungsgemäß veranlagt.
Im November 2006 erhielt die Prüferin den von der Klägerin ausgefüllten Fragebogen. Im
Dezember 2006 erschien die Prüferin bei der Klägerin und nahm einen Datenträger (CD mit
Buchführungsdaten für 2001 und 2002) in Empfang. Die Prüferin erstellte handschriftliche Notizen
und druckte zunächst am 20. und 21.12.2006 Daten der Klägerin betreffend „Periode 2001-2002 “
aus. In der Akte befanden sich außerdem Datenausdrucke mit Datum 16.1.2007 zum Jahr 2001.
Weitere Ausdrucke erfolgten am 18.4.2008 und dann erst wieder am 26. und 27.11.2009,
7.12.2009 und 30.11.2010. Aus den Aufzeichnungen der Prüferin ergab sich, dass sie in den Fall
insgesamt elf Vorbereitungstage investiert hatte, davon sieben Tage in 2006 und vier Tage in
2007.
Im Dezember 2009 wandte sich die Prüferin erstmals seit der Entgegennahme der Daten-CD an
die Klägerin und teilte mit, die bereits begonnene Prüfung fortsetzen zu wollen und dafür weitere
Informationen zu benötigen. Die Klägerin lehnte eine Beantwortung ihrer Fragen unter Hinweis
auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung (zum 31.12.2007 bzw. 31.12.2008) ab, da die
Außenprüfung vor Ablauf der Festsetzungsfrist nicht ernsthaft begonnen worden sei. Im Übrigen
sei die Prüfung jedenfalls ohne ihr Verschulden für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten
unterbrochen worden.
Der BFH ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Prüferin die Außenprüfung im Dezember
2006 durch ihr Erscheinen am Prüfungsort und die Entgegennahme der CD mit beide
Prüfungsjahre betreffenden Buchführungsdaten der Klägerin begonnen hat. In der
Entgegennahme von Buchführungsdaten am Prüfungsort ist eine von der Prüferin veranlasste
und für den Steuerpflichtigen erkennbar auf die Ermittlung des Steuerfalls gerichtete Handlung
zu sehen. Bei der Anforderung und Entgegennahme der Daten-CD handelte es sich nicht um
eine rein interne Maßnahme des Finanzamtes; vielmehr war sie ohne Weiteres ge eignet, das
Vertrauen der Klägerin in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen.
Die eingetretene Ablaufhemmung war auch im Streitfall nicht deshalb rückwirkend nach § 171
Abs. 4 Satz 2 AO entfallen, weil die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn aus Gründen,
die die Finanzverwaltung zu vertreten hat, länger als sechs Monate unterbrochen worden wäre.
Denn die Prüferin hatte die Prüfung nach ihrer Aufnahme zeitnah fortgesetzt, indem sie am
20./21.12. 2006 und sodann wieder am 16.1.2007 das Jahr 2001 betreffende Ausdrucke
vorgenommen und einzelne Positionen mit amtsinternen Daten abgeglichen hat.
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Die Prüferin hat demnach nach der Prüfungsvorbereitung und der Entgegennah me der Daten-
CD im Dezember 2006 und auch im Januar 2007 inhaltliche Prüfungen vorgenommen. Diese
Prüfungsmaßnahmen gingen über das Stadium von Vorberei tungshandlungen, der Einholung
allgemeiner Informationen über die betrieblichen Verhältnisse usw., hinaus; denn die Prüfung
führte zu ersten auswertbaren Ergebnissen, an die bei der Wiederaufnahme der Prü fung
angeknüpft werden konnte.