Auf die Streitfrage, ob die Lieferung von Holzhackschnitzeln aus Baumschnittabfällen als Brennstoff dem ermäßigten oder dem Regelsteuersatz unterliegt, hat das Niedersächsische Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 16.11.2017 – 11 K 113/17 folgende Entscheidung getroffen: „Nach nationalem Recht ist die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die Lieferung von Holzhackschnitzeln nicht zulässig. Die Lieferung unterfällt indes dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Unternehmer sich auf Art. 122 MwStSystRL i.V.m. dem europarechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität beruft.“
Die Klägerin hatte Umsätze aus der Herstellung und dem Vertrieb von Holzhackschnitzeln aus angekauftem Holz ermäßigt versteuert. Bei einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass Holzhackschnitzel als Brennstoff für eine Holzhackschnitzelheizung nicht in der Anlage 2 Nr. 48 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) aufgeführt und steuerlich begünstigt sind. Eine Steuervergünstigung komme nur in Betracht, wenn die Kriterien der Anlage 2 Nr. 48b erfüllt seien, also für Industriehackschnitzel, die in einem Gewerbebetrieb anfallen, jedoch nicht für Holzhackschnitzel, die direkt aus dem Stamm hergestellt würden. Das Finanzamt erließ daraufhin einen geänderten Umsatzsteuerbescheid.
Das FG hielt die Klage für begründet. Die Anwendung des allgemeinen statt des ermäßigten Steuersatzes ist zwar nach nationalem Recht gerechtfertigt. Jedoch kann sich die Klägerin auf Art. 122 MwStSystRL als übergeordnetes Recht berufen, weil die vom nationalen Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung nach der Herkunft des Ursprungsmaterials gegen den unionsrechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer verstößt.