Nach der aktuellen Entscheidung des FG Niedersachen (Urteil vom 12.07.2018, 11 K 276/17) wird
die Bemessungsgrundlage für eine Wärmelieferung nach dem marktüblichen Entgelt bestimmt, wenn die
Selbstkosten den Marktpreis übersteigen
Im Streitfall betreibt die Klägerin (100 %ige Tochter der Samtgemeinde X) ein Blockheizkraftwerk und
versorgt neben weiteren Abnehmern auch gemeindeeigene Einrichtungen (Feuerwehr, Freibad, Schule)
mit Wärme. Die Entgelte berechnet die Klägerin einheitlich - also sowohl gegenüber ihrer
Gesellschafterin als auch gegenüber den von ihr belieferten fremden Dritten - nach einer Preisliste,
welche die Preise nach dem jeweiligen Verbrauch staffelt. Im Zuge einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung
vertrat das Finanzamt (FA), die Auffassung, bei den Wärmelieferungen an die gemeindeeigenen
Einrichtungen sei nicht wie bislang das von der Klägerin in Rechnung gestellte Entgelt, sondern die sog.
Mindestbemessungsgrundlage anzusetzen. Diese sei aus Vereinfachungsgründen gemäß dem
bundesweit einheitlichen durchschnittlichen Fernwärmepreis auf Basis der jährlichen Veröffentlichungen
des Bundeministeriums für Wirtschaft und Energie zu bestimmen. Für das Streitjahr ergäbe sich danach
ein Fernwärmepreis von 7,50 ct/kWh netto. Die Klägerin hatte hingegen gemäß ihrer
Wärmestaffelpreisliste den von ihr belieferten gemeindeeigenen Einrichtungen nur 1,9 ct/kWh netto in
Rechnung gestellt. Der Prüfer berechnete als Ansatz für die Mindestbemessungsgrundlage einen um
59.946 € erhöhten Betrag. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg.
Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) ist die dagegen eingelegte Klage jedoch begründet. Das FA ist zu
Unrecht davon ausgegangen, dass die Bemessungsgrundlage für die Umsätze der Klägerin unter
Berufung auf die Regeln der Mindestbemessungsgrundlage für das Jahr 2015 um 59.946 € zu erhöhen
sind. Da die Wärmelieferungen an die gemeindeeigenen Einrichtungen zu marktüblichen Entgelten
erfolgten, ergeben die mit der Klägerin vereinbarten Preise die maßgebliche Bemessungsgrundlage. Da
dies der Besteuerung der Klägerin vor Durchführung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung entspricht, war der
angefochtene Bescheid aufzuheben.
Nach dem Umsatzsteuergesetz unterliegen entgeltliche Leistungen, die Körperschaften,
Personenvereinigungen sowie Gemeinschaften im Rahmen ihres Unternehmens an ihre Anteilseigner,
Gesellschafter, Mitglieder, Teilhaber oder diesen nahestehende Personen ausführen, der sog.
Mindestbemessungsgrundlage. Gegenüber nahestehenden Personen - wie vorliegend der Samtgemeinde
X im Verhältnis zur Klägerin, als deren hundertprozentige Tochter - erfolgt die Besteuerung dann nicht
auf der Grundlage des vereinbarten Entgelts, sondern nach den sog. Mindestbemessungsgrundlage,
wobei der Umsatz jedoch höchstens nach dem marktüblichen Entgelt zu bemessen ist.
Die Mindestbemessungsgrundlage bei Lieferungen wird danach grundsätzlich nach dem Einkaufspreis
zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels
eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes bemessen. Maßgebend
ist demnach primär der Einkaufspreis. Die Selbstkosten sind nur subsidiär anzusetzen, wenn ein
Einkaufspreis für den (entnommenen) Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand nicht zu
ermitteln ist. Von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Fernwärme kann dabei nur
dann als Einkaufspreis für den Gegenstand oder einen gleichartigen Gegenstand angesehen werden,
wenn sie zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst
erzeugte Wärme. Nur dann kann im Zeitpunkt des Bedarfs die selbst erzeugte Wärme durch eine
gleichartige, einzukaufende ersetzt und der Einkaufspreis ermittelt werden, der einem fremden Anbieter
für den Liefergegenstand „Wärme“ zu diesem Zeitpunkt hätte bezahlt werden müssen. Ist ein (fiktiver)
Einkaufspreis nicht feststellbar, sind die Selbstkosten als Bemessungsgrundlage anzusetzen. Die
Selbstkosten umfassen alle vorsteuerbelasteten und nichtvorsteuerbelasteten Kosten, die für die
Herstellung der jeweiligen Wärmemenge unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort
anfallen. Hierzu gehören neben den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Anlage auch die
laufenden Aufwendungen. Die Selbstkosten sind grundsätzlich im Verhältnis der erzeugten Mengen an
elektrischer und thermischer Energien in der einheitlichen Messgröße kWh aufzuteilen (sog. energetische
Aufteilungsmethode). Eine überproportionale Zuordnung der Selbstkosten zum produzierten Strom nach
sog. exergetischen Allokations- oder Marktwertmethoden - von der Klägerin auch Kuppelkalkulation
genannt - findet dagegen im Gesetz keine Stütze. Aber und dies hatte das FA nicht beachtet - bei der
Prüfung der Selbstkosten ist der Umsatz in jedem Fall auf das marktübliche Entgelt begrenzt. Die
Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage setzt voraus, dass die Gefahr einer Steuerhinterziehung
oder –umgehung besteht. Was nicht zutrifft, wenn das vereinbarte Entgelt dem marktüblichen Entgelt
entspricht. Dabei sind für die Ermittlung des marktüblichen Entgelts – entsprechend den Bedingungen des
freien Wettbewerbs -die konkreten Verhältnisse am Standort des Energieverbrauches entscheidend.
Diese wurden nach der Überzeugung des Gerichts glaubhaft vorgetragen.
Hinweis: Die Revision wurde nicht zugelassen. Neben der positiven Feststellung des Gerichts, dass bei
vereinbarten Entgelten, das marktübliche Entgelt zu beachten ist, bleibt auch die negative Feststellung zu
beachten, dass bei der Ermittlung der Mindestbemessungsgrundlage nach den Selbstkosten eine
Aufteilung nach den Leistungskennzahlen und keine umsatzbezogene Aufteilung vorzunehmen ist. Dies
ist relevant bei unentgeltlicher Wärmeabgabe. Denn hier existiert bisher keine Deckelung auf das
marktübliche Entgelt. Deshalb sollte man in Fällen der Wärmeabgabe immer ein gewisses (Teil)Entgelt
vereinbaren.