Das FG Baden – Württemberg (Urteil v. 02.08.2019 - 9 K 3145/17) äußert sich zur Mindestbemessungsgrundlage für die Lieferung von Wärme an eine teilweise gesellschafteridentische Personengesellschaft (PersG) beim Fehlen von anderen Möglichkeiten zum Bezug von Wärme in der Gemeinde und nimmt Stellung zur Aufteilung der Selbstkosten nach der energetischen
Aufteilungsmethode oder der Marktwertmethode. Im Streitfall wird die Biogasanlage in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) geführt, die in 2007 errichtet wurde. An ihr waren in den Streitjahren Vater (V) und Sohn (S) je hälftig beteiligt.
Beide waren gemeinsam mit ihren Ehefrauen auch an einer GbR beteiligt, die Land- und Forstwirtschaft betrieb und deren Umsätze nach § 24 Umsatzsteuergesetz (UStG) besteuert wurden. Die OHG errichtete in 2007 eine Biogasanlage mit angeschlossenem Blockheizkraftwerk. Die gesamte Anlage wurde in 2007 fertig gestellt, in 2009 erweitert und ist seither in Betrieb. Vorsteuerabzug aus den Anschaffungskosten wurde gewährt. Konkret wurde aus der Verbrennung des Gases im streitgegenständlichen Blockheizkraftwerk aufgrund dessen Wirkungsgrad zu 44,4% thermische Energie (Wärme) und zu 38,9% elektrische Energie (Strom) erzeugt, mithin entfielen 53,3% der Selbstkosten auf die Wärme. In den Streitjahren beliefen sich die insgesamt produzierten Energiemengen auf 9.286.007 kWh (2010), 9.246.325 kWh (2011) und 9.453.091 kWh (2012). Darin enthalten waren produzierte (Ab-)Wärmemengen von 4.949.564 kWh (2010), 4.928.413 kWh (2011) und 5.038.622 kWh (2012) und produzierte Strommengen von 4.336.443 kWh (2010), 4.317.912 kWh (2011) und 4.414.469 kWh (2012). Der produzierte Strom wurde in allen Streitjahren über eine unmittelbar an das Blockheizkraftwerk angeschlossene Trafostation in das Stromnetz eingespeist. Für den eingespeisten Strom erhielt die OHG von der Regionalnetzbetreiberin eine Vergütung inkl. Zuschlag wegen der Nutzung der Abwärme gemäß § 8 Abs. 3 EEG. Die bei der Verbrennung entstehende (Ab-)Wärme verpufft teilweise ungenutzt und wird teilweise in der Biogasanlage als Prozessenergie benötigt und dorthin zurückgeführt. Die übrige, hier streitgegenständliche Wärme wurde in allen Streitjahren vollständig und ausschließlich dergestalt i.S.v. § 8 Abs. 3 EEG genutzt, dass sie in ein unmittelbar an das Blockheizkraftwerk angeschlossenes Nahwärmenetz eingespeist wurde. Mit dieser Wärme wird das in den Leitungen des Nahwärmenetzes befindliche Wasser erhitzt und darüber die Wärme in die angeschlossenen Gebäude geleitet. Das Nahwärmenetz gehört der OHG. An das Nahwärmenetz angeschlossen waren in den Streitjahren und sind bis heute die beiden Wohnhäuser der Gesellschafter sowie der Schweine- und der Hühnerstall der GbR; erst nach Ablauf des jüngsten Streitjahrs 2012 wurden weitere Abnehmer an das Nahwärmenetz angeschlossen, nämlich der zweite Sohn (S2) sowie die Nachbarn Q. und W. Im Schweinstall befand und befindet sich zwar noch eine Hackschnitzelheizung, die aber kapazitätsmäßig nicht ausreichte und ausreicht, einen Ausfall der Wärme aus dem Blockheizkraftwerk zu kompensieren. Im Hühnerstall befand und befindet sich eine Flüssiggasheizung, die zusätzlich zur Wärme aus dem Blockheizkraftwerk im Winter zugeschaltet werden musste, um die erforderliche Raumtemperatur zu erreichen. Auch in den Wohngebäuden musste die dort befindliche Hackschnitzelheizung im Winter zugeschaltet werden. Abnehmerin der Wärme der OHG war in allen Streitjahren ausschließlich die GbR, d.h. insbesondere wurde keine Wärme direkt an natürliche Personen geliefert. Für die gelieferte Wärme zahlte die GbR an die OHG, die keine Vollversorgung garantierte, in den Sommerhalbjahren und Winterhalbjahren unterschiedliche Preise.
Dies wurde auch deshalb vereinbart und durchgeführt, weil die OHG für die so genutzte Wärme KWKBoni erhielt. Weshalb sie auch an einer ganzjährigen Abnahme der Wärme interessiert war. Der Weiler Z war und ist nicht an ein Fernwärmenetz angeschlossen. Beim Statistischen Landesamt Baden-Württemberg waren und sind keinerlei Daten über Wärmepreise verfügbar. Nach einer Außenprüfung änderte das Finanzamt (FA) die Umsatzsteuerfeststellungen der Streitjahre 2010-2012.
Insbesondere seien für die streitgegenständlichen Wärmelieferungen mangels eines Einkaufspreises für Wärme die Selbstkosten anzusetzen, wofür aus Vereinfachungsgründen auf die bundesweit einheitlichen durchschnittlichen Fernwärmepreise abgestellt wurde. Die Einsprüche gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage hatten keinen Erfolg.
Das FG Baden-Württemberg entschied, dass wenn eine Vater-Sohn-OHG ein umsatzsteuerlich voll dem Unternehmen zugeordnetes Blockheizkraftwerk mit Biogasanlage (BHKW; hier: Erzeugung von Gas in einer Biogasanlage, das im BHKW verbrannt wird, wodurch Strom und als Nebenprodukt Abwärme erzeugt werden) betreibt und die von dem BHKW – neben Strom – produzierte Wärme teilweise an eine nicht vorsteuerabzugsberechtigte GbR verkauft wird, an der Vater, Sohn und Mutter beteiligt sind, so stehen die OHG und die GbR einander nahe i.S.v. § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UStG und ist für die Wärmelieferungen die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG zu prüfen.
Dabei kann nicht auf den „Einkaufspreis” abgestellt werden, wenn es vor Ort keine anderweitigen Möglichkeiten zum Einkauf von Wärme gibt, insbesondere kein Fernwärmenetz vorhanden ist.
Zu den mangels Einkaufspreises nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG anzusetzenden „Selbstkosten” für die erzeugte Wärme gehören alle Kosten, die durch den betrieblichen Leistungsprozess entstanden sind und mit denen die Kostenrechnung des Unternehmers belastet worden ist. Zu den Kosten gehören sämtliche tatsächlich angefallenen Kosten (Materialeinzelkosten, anteilige Materialgemeinkosten, die Fertigungseinzelkosten, anteilige Fertigungsgemeinkosten, der Wertverzehr, also insbesondere auch die gesamten Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Anlage einschließlich Nebenkosten verteilt auf die voraussichtliche tatsächliche Nutzungsdauer, anteilige Verwaltungsgemeinkosten, die Energiekosten, die Finanzierungsaufwendungen und die Produktionskosten für das Gas.
Lassen sich alle Kosten weder nur der Wärme noch nur dem Strom konkret und unmittelbar zuordnen, müssen sie entweder nach der sogenannten energetischen Aufteilungsmethode (Verhältnis von produzierter Wärmemenge zu produzierter Strommenge bezogen auf die insgesamt produzierte Energiemenge) oder nach der sog. Marktwertmethode (dem Verhältnis der Marktpreise der produzierten Wärmemenge zur produzierten Strommenge) aufgeteilt werden. Eine Aufteilung erübrigt sich nicht bereits deshalb, weil es sich bei der (Ab-)Wärme um ein bloßes Abfallprodukt zur Stromerzeugung handeln würde. Die Marktwertmethode ist nicht anwendbar, wenn es vor Ort kein Fernwärmenetz oder andere Möglichkeiten zum Erwerb von Wärme gibt, also kein „Markt” vorhanden ist und die Klägerin nur an eine nahestehende Gesellschaft Wärme geliefert hat; aus der Lieferung von Wärme allein an nahestehende Personen kann kein marktüblicher Preis abgeleitet werden.
Hinweis:
Die Entscheidung des FG Baden-Württemberg ist eine von vielen Entscheidungen der Finanzgerichte, die in der zweiten Jahreshälfte 2019 ergangen sind. Die Revision gegen die Entscheidung wurde zur Rechtsfortbildung zugelassen. Aktuell besteht noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob bei Ermittlung der Selbstkosten die energetische Aufteilungsmethode oder die Marktwertmethode, die regelmäßig zu geringeren Wertansätzen führt, anzuwenden ist. Nach Auffassung der Finanzverwaltung gibt es für die Anwendung der Marktwertmethode keine gesetzliche Grundlage (so auch FG Niedersachen, Urteil v. 24.09.2019 – 11 K 1/18, Az.BFH: V B 96/18).
Demgegenüber bestätigt das FG Münster (Urteil v. 01.10.2019 – 15 K 1050/16 U) die Marktwertmethode als zulässige Aufteilungsmethode.