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Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von sog. Vorkosten im Zusammenhang mit der Lieferung von Vieh an Schlachtbetriebe und sog. Vermarktungsgebühren von Erzeugerorganisationen im Bereich Obst und Gemüse

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Entscheidungen zum Leistungsaustausch zwischen Erzeugern und deren Abnehmern im Zusammenhang mit der Inrechnungstellung von sogenannten Vorkosten bei Schlachtbetrieben bzw. sog. Vermarktungsgebühren bei Erzeugerorganisationen Stellung genommen.Mit seinem Beschluss vom 13.09.2022 – XI R 8/20 hat der BFH entschieden, dass in dem Falle, in dem eine Erzeugergenossenschaft Lebensmittel von ihren Mitgliedern in ihrer Eigenschaft als Erzeuger ankauft und diese Lebensmittel in eigenem Namen und auf eigene Rechnung an Abnehmer weiterliefert, sog. Marktgebühren, die die Erzeugergenossenschaft von dem an die Erzeuger zu zahlenden Kaufpreis abzieht, nicht als Entgelt für eine Vermarktungsleistung anzusehen seien. Der BFH verneint eine dem Regelsteuersatz unterliegende Vermarktungs-leistung der Erzeugerorganisation gegenüber den jeweiligen Landwirten damit, dass die Vermarktung der von ihr verkauften Erzeugnisse in eigenem Namen vor allem in ihrem eigenen Interesse liegen würde. Infolge der Tätigkeit der Genossenschaft bei der zentralen Vermarktung sei davon auszugehen, dass diese für die Waren höhere Verkaufspreise erzielen kann.

In seinem Beschluss vom 11.10.2022 – XI R 12/20 hat er entschieden, dass ein Schlachthof die Tätigkeiten im Vorfeld des zivilrechtlichen Eigentumsübergangs bei Anlieferung von Vieh im eigenen Interesse vornimmt. Das bloße Weiterberechnen von sog. Vorkosten für diese Tätigkeiten an die Lieferanten der Tiere führe nicht zum Leistungsaustausch. Diese Entscheidungen widersprechen der bisherigen Verwaltungspraxis. Das BMF hat diese Urteile jedoch aufgegriffen und wendet sie wie folgt an (BMF v. 20.06.2023):

Sogenannte Marktgebühren, die eine Erzeugerorganisation beim Ankauf von Le-bensmitteln von ihren Mitgliedern für die Vermarktung der Lebensmittel er-hebt, stellen kein Entgelt für eine sonstige Leistung der Erzeugerorganisa-tion dar, sondern mindern die Bemessungsgrundlage der Lieferungen der Mit-glieder an die Erzeugerorganisation, wenn die diesen Kosten zugrundeliegenden Aufwendungen im eigenen Interesse der Erzeugerorganisation liegen.

Ein Schlachthof, der beim Erwerb von zur Schlachtung bestimmten Tieren die im Rahmen der Schlachtung anfallenden Kosten (sog. Vorkosten, z. B. die Kosten für das Qualitätsmanagement einschließlich Kosten für den Veterinär, für die Prüfung der Betriebe der Kunden, für die Einhaltung der erhöhten Hygienevor-schriften und die Kosten zur Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit der Tiere) vom Kaufpreis für das jeweilige Tier abzieht, erbringt ebenfalls keine sonstigen Leistungen an die Lieferanten der Tiere, wenn die diesen Kosten zugrundeliegenden Vorgänge auch im eigenen Interesse des Schlachthofs liegen. Auch in diesem Fall liegt eine Minderung des Entgelts für die Lieferung der Tiere vor.”

Die neuen Regelungen sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Für den Zeitraum bis zur Veröffentlichung des BMF-Schreibens wird es nicht beanstandet, wenn die Weiterberechnung der Vorkosten wie bisher als Leistungsaustausch behan-delt wird.



Hinweis: Da die sogenannten Vorkosten bzw. Marktgebühren nunmehr als Entgeltsminderung zu berücksichtigen sind, kann das im Einzelfall dazu führen, dass die 600.000 €-Grenze für die Beibehaltung der Umsatzsteuerpauschalierung nicht überschritten wird.