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Zum Vorsteuerabzug bei einem kraft Gesetzes erfolgenden Wechsel von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung

Der BFH (Urteil v. 12.07.2023 - XI R 14/22) lehnt den gesonderten Vorsteuerabzug für Leistungsbezüge im Pauschalierungszeitraum ab, auch wenn diese Leistungsbezüge erst mit der Regelbesteuerung unterliegenden Ausgangsumsätzen im Folgejahr zusammenhängen.

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin (GbR), die bis einschließlich 2021 (Streitjahr) ihre Umsätze aus ihrem landwirtschaftlichen Unternehmen nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 UStG versteuerte, Vorsteuer aus Rechnungen abziehen kann, deren Aufwendungen zwar im Streitjahr entstanden sind, jedoch für Umsätze im Jahr 2022 verwendet werden sollten, einem Jahr, in dem sie wegen des Überschreitens der Grenze von 600.000 € zur Regelbesteuerung übergehen musste.


Gesellschaftszweck der GbR ist der Betrieb eines landwirtschaftlichen Unternehmens zur Haltung von Milchkühen. Im Rahmen dieses Betriebs zieht die GbR weibliche Nachzucht selbst auf. Mit ihren Umsätzen unterlag sie auch im Streitjahr der Durchschnittssatzbesteuerung. Für die Jahre 2019 und 2020 erklärte die GbR Umsätze in Höhe von etwa 1,2 Mio. €; die erklärte Umsatzsteuer betrug für diese Jahre nach Anwendung der Regelungen in § 24 Abs. 1 UStG jeweils 0 €. Am 21.10.2021 gab die GbR eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für das 1. Quartal 2021 ab, in der sie abzugsfähige Vorsteuerbeträge in Höhe von 1.436,39 € und keine zu besteuernden Umsätze anmeldete. In einem Begleitschreiben zur Voranmeldung führte sie ergänzend aus, es handele sich bei der übermittelten Umsatzsteuer-Voranmeldung nicht um einen Antrag im Sinne des § 24 Abs. 4 UStG, die Regelungen des § 24 Abs. 1 UStG sollten für 2021 weiterhin Anwendung finden. Ab dem 01.01.2022 unterliege die GbR jedoch der Regelbesteuerung. Durch das Jahressteuergesetz 2020 sei in § 24 Abs. 1 UStG eine Umsatzgrenze von 600.000 € bezogen auf das jeweilige Vorjahr eingefügt worden. Die Änderung gelte nach § 27 Abs. 32 UStG erstmals für Umsätze, die nach dem 31.12.2021 bewirkt werden. Die in der Voranmeldung geltend gemachten Vorsteuerbeträge stünden nur mit Umsätzen in Zusammenhang, die erst im Jahr 2022 erzielt würden, da es sich um die anteiligen Kosten für die Aufzucht von Tieren handele, die erst im Jahr 2022 abkalben und daher erst ab diesem Zeitpunkt Milch erzeugen. Daher sei ihr entgegen Abschn. 15.1 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UStAE der Vorsteuerabzug zu gewähren.

Am 10.11.2021 setzte das Finanzamt (FA) die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Quartal 2021 auf 0 € fest und versagte dabei den begehrten Vorsteuerabzug. Den Einspruch der GbR, mit dem sie zur Begründung auf das Begleitschreiben zur Voranmeldung verwies, blieb erfolglos. Nach Ansicht des FA sei bei Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung im Jahr 2021 nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ein weitergehender Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Ein Verzicht gemäß § 24 Abs. 4 UStG sei nicht erfolgt.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und setzte die Umsatzsteuer auf ./. 1.436,59 € fest. Soweit sich Vorsteuerbeträge auf die Aufzucht von Tieren im Streitzeitraum (1. Quartal 2021) bezögen, die erst im Jahr 2022 abkalben, stehe § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG dem Vorsteuerabzug nicht entgegen. Maßgeblich sei, dass bei Leistungsbezug die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht bestanden habe, die Eingangsleistungen nur für Umsätze im Jahr 2022 zu verwenden, die wegen der bereits 2021 zu erkennenden neuen Gesetzeslage der Regelbesteuerung unterliegen. Dies entspreche der zugrundeliegenden unionsrechtlichen Regelung des Art. 302 MwStSystRL. Danach sei die Frage des Ausschlusses des Vorsteuerabzugs von der Qualität der mit den Aufwendungen im Zusammenhang stehenden Tätigkeiten beziehungsweise Umsätzen abhängig und nicht vom Vorliegen eines land- und forstwirtschaftlichen (luf) Betriebs als solches. § 15a Abs. 7 UStG stehe dem nicht entgegen, da eine Berichtigung des versagten Vorsteuerabzugs wegen § 44 Abs. 1 UStDV im Streitfall nicht in Betracht komme, weil die entsprechenden Anschaffungs- und Herstellungskosten für die aufzuziehenden Milchkühe die dort genannte Grenze nicht überschritten. Dagegen reichte das FA die Revision ein.

Der BFH bestätigt die Revision. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass die geltend gemachte Vorsteuer im Streitjahr abgezogen werden kann. Im Streitjahr kann Vorsteuer nur im Umfang der Umsatzsteuer auf die erzielten Umsätze berücksichtigt werden.

Für die im Rahmen eines luf Betriebs ausgeführten Umsätze werden im Streitjahr die Steuer ‑‑mit Ausnahme der im Streitfall nicht einschlägigen Lieferungen und sonstigen Leistungen im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UStG‑‑ gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG auf jeweils 10,7 % der

Bemessungsgrundlage festgesetzt. Dadurch gleichen sich Steuer und Vorsteuer aus, so dass der Landwirt im Ergebnis für diese Umsätze keine Umsatzsteuer zu entrichten hat. Nach diesen gesetzlichen Grundlagen hat das FA im Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für das 1. Quartal 2021 Umsatzsteuer zutreffend auf 0 € festgesetzt.

Der Vorsteuerabzug aufgrund tatsächlicher Leistungsbezüge für den landwirtschaftlichen Betrieb war bei Leistungsbezug nach § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen; denn das Verbot eines weiteren Vorsteuerabzugs gemäß § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG bezieht sich auf den Zurechnungsbereich des Leistungsbezugs zu den luf Umsätzen. Der Vorsteuerabzug erfolgt pauschal. In der zunächst sinngemäß enthaltenen und später ausdrücklich ausgesprochenen gesetzlichen Anordnung in § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG des Inhalts, dass ein weiterer Vorsteuerabzug entfällt, ist eine Regelung zu sehen, mit der ausgeschlossen wird, dass neben der Vorsteuerpauschalierung (§ 24 Abs. 1 UStG) zusätzlich aufgrund von einzelnen Leistungsbezügen für den unter § 24 UStG fallenden Unternehmensteil nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 UStG Vorsteuern abgezogen werden dürfen. Besteht ‑‑wie im Streitfall‑‑ im Jahr des Leistungsbezugs nur ein der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegendes landwirtschaftliches Unternehmen, so kommt von vornherein nur eine Zuordnung der Eingangsleistung zu diesem Unternehmen in Betracht mit der Folge, dass statt des Abzugs der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer gemäß § 15 UStG nur eine Vorsteuerentlastung nach § 24 Abs. 1 Satz 3 und 4 UStG, bemessen nach Ausgangsumsätzen, eintritt.

Die bereits im Streitjahr mögliche Option zur Regelbesteuerung (§ 24 Abs. 4 UStG), die dazu geführt  hätte, dass statt pauschaler Leistungsbezüge die tatsächlichen Leistungsbezüge (§ 15 UStG) berücksichtigt werden, hat die GbR nicht ausgeübt.

Die gesetzliche Einführung der Gesamtumsatzgrenze von 600.000 €, die auf Umsätze anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2021 bewirkt werden, führt im Streitjahr nicht zu einer anderen Beurteilung.

Kommt es zwischen Leistungsbezug und Verwendungsumsatz zu einem Übergang von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung, gelangt mit § 15a Abs. 7 Halbsatz 2 UStG eine gesetzliche Vorschrift zur Anwendung, die eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs ermöglicht und damit Inkongruenzen ausgleicht. Zunächst ist der (weitere) Vorsteuerabzug nach § 15 UStG aufgrund der Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 4 UStG ausgeschlossen und nach dem Wechsel zur allgemeinen Besteuerung die Vorsteuerbereichtigungsmöglichkeit gegeben.

Zu § 19 UStG hat der BFH entschieden, dass ein Unternehmer, der als Kleinunternehmer (§ 19 Abs. 1 UStG) eine Leistung bezieht, im nachfolgenden Besteuerungszeitraum zur Regelbesteuerung wechselt und in diesem für die bezogene Leistung eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erhält, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, weil es in Bezug auf die erhaltene Leistung an der persönlichen Berechtigung zum Vorsteuerabzug fehlt.

Für den landwirtschaftlichen Betrieb der GbR (§ 24 UStG) gilt im Falle des Wechsels nichts anderes. Wechselt ein Unternehmer, der seine Umsätze gemäß § 24 Abs. 1 UStG pauschal versteuert und im Zeitraum dieser Besteuerungsform Lieferungen und sonstige Leistungen bezogen hat, später zur Regelbesteuerung, sind die mit diesen Vorbezügen verbundenen Vorsteuern auch dann durch die Vorsteuerpauschalierung nach § 24 UStG abgegolten, wenn der Unternehmer die Rechnungen für diese Vorbezüge erst nach dem Wechsel der Besteuerungsform erhält. Für den pauschalen Vorsteuerabzug ist

die Regelung bestimmend, die im Rahmen der für den Land- und Forstwirt zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Besteuerungsform gilt. Bei der Besteuerung nach § 24 Abs. 1 UStG wird die reale Vorsteuerbelastung durch einen fiktiven Betrag abgegolten. Selbst durch eine ausschließliche Zuordnung des Leistungsbezugs eines gemischt eingesetzten Gegenstandes zum landwirtschaftlichen Betrieb (§ 24 UStG) käme es zur Verhinderung der Entlastung.
Der Unternehmer wird dadurch nicht schutzlos gelassen. Vielmehr liegt eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse auch dann vor, wenn ein Land- und Forstwirt von der Regelbesteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung oder umgekehrt wechselt. Die vorgenannten Grundsätze gelten im Übrigen auch im umgekehrten Fall: Wechselt der Steuerpflichtige von der Regelbesteuerung zur Durchschnittssatzbesteuerung, verbleibt es beim Vorsteuerabzug bei Leistungsbezug gemäß § 15 UStG; es erfolgt auch dann nur eine Vorsteuerberichtigung gemäß § 15a Abs. 7 UStG.

Die in Bezug genommene Rechtsprechung betrifft Konstellationen, in denen der Steuerpflichtige freiwillig die Besteuerungsform wechselt. Für den Fall, dass der Wechsel kraft Gesetzes eintritt, gilt indes nichts anderes. Auch Gesetzesänderungen können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Vorsteuerberichtigungen führen. Es verbleibt die Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 7 Halbsatz 2 UStG zu dem Zeitpunkt, zu dem die Pauschalbesteuerung nicht mehr zulässig ist.

Das Unionsrecht steht dem nicht entgegen. Nach Art. 302 MwStSystRL hat ein Pauschallandwirt, der einen Pauschalausgleich in Anspruch nimmt, in Bezug auf die dieser Pauschalregelung unterliegenden Tätigkeiten kein Recht auf Vorsteuerabzug. Geht der Steuerpflichtige von der normalen Mehrwertsteuerregelung auf eine Sonderregelung über oder umgekehrt, können nach Art. 192 MwStSystRL die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um zu vermeiden, dass dem Steuerpflichtigen dadurch ungerechtfertigte Vorteile oder Nachteile entstehen. Ebenso wie § 15a Abs. 7 UStG sieht Art. 192 MwStSystRL den Übergang von der normalen Mehrwertsteuerregelung auf eine Sonderregelung oder umgekehrt als Fall der Berichtigung des Vorsteuerabzugs an.
Soweit die GbR unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 13.11.2013 - XI R 2/11 von einer umsatzbezogenen Betrachtung ausgeht, geht das Unionsrecht in Art. 302 MwStSystRL von Tätigkeiten und nicht von Umsätzen aus. Die Tätigkeit der GbR im Jahr 2021 war eine landwirtschaftliche Tätigkeit (Tierzucht beziehungsweise Tierhaltung, Art. 295 Abs. 1 Nr. 2 MwStSystRL i.V.m. Anh. VII Nr. 2) einer landwirtschaftlichen Erzeugerin (Art. 295 Abs. 1 Nr. 3 MwStSystRL). In Bezug auf diese Tätigkeit hat die GbR somit nach Art. 302 MwStSystRL im Jahr 2021 kein Recht auf Vorsteuerabzug. Entstehen daraus ungerechtfertigte Vor- oder Nachteile, so sind diese nach Art. 192 MwStSystRL auszugleichen. Die Umsetzung dieser Bestimmung steht nicht im Ermessen des Mitgliedstaats; sie hat der deutsche Gesetzgeber mit § 15a Abs. 7 Halbsatz 2 UStG vorgenommen.

Das von der GbR angeführte BFH-Urteil vom 13.11.2013 - XI R 2/11 bezieht sich außerdem auf die Zuordnungsfrage, ob Vorsteuern aus verschiedenen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen dem Bereich der Durchschnittssatzbesteuerung oder dem Bereich der Regelbesteuerung zuzuordnen sind. Im Streitfall geht es hingegen um die Frage, welche Konsequenzen sich aus dem Wechsel des Besteuerungssystems einer einzigen (landwirtschaftlichen) Tätigkeit, die von der Durchschnittssatzbesteuerung zur Regelbesteuerung wechselt, ergeben. Hier bedarf es insoweit einer tätigkeitsbezogenen Sicht, die sich unionsrechtlich aus Art. 192 MwStSystRL i.V.m. § 15a Abs. 7 UStG ergibt.


Aus dem zwischen den Beteiligten streitig erörterten BFH-Urteil vom 22.03.2001 - V R 39/00 ergibt sich ebenfalls nichts anderes; denn im dortigen Fall wurde im Zeitpunkt des Leistungsbezugs keine der Durchschnittssatzbesteuerung unterliegende Tätigkeit ausgeübt. Außerdem wurde erklärt, dass zur Regelbesteuerung optiert wird.

Diese Auslegung des § 24 UStG entspricht auch den formellen Anforderungen, die mit dem Wechsel zur Regelbesteuerung einhergehen. So setzt zum Beispiel erst mit dem Übergang zur Regelbesteuerung die Aufzeichnungspflicht des § 22 Abs. 2 Nr. 5 und 6 UStG für den Land- und Forstwirt ein. Davor ist der luf Betrieb (auch) von ihr befreit (§ 67 Satz 1 UStDV). Die gegenteilige Ansicht der Klägerin und der Vorinstanz würde zu erheblichen Nachweisproblemen führen.

Ob die in § 15a Abs. 7 UStG, Art. 192 MwStSystRL vorgesehene Vorsteuerberichtigung im Jahr 2022 aufgrund von § 44 UStDV ausgeschlossen ist, ist im Streitfall, der das Jahr 2021 betrifft, nicht zu entscheiden.

Hinweis:

Damit bestätigt der BFH – anders als das FG - die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung in Abschnitt 24.1a Abs. 7 UStG. Es zeichnet sich bereits ab, dass das Thema Vorsteuerberichtung beim Umlaufvermögen, das aufgrund des Urteils ansteht, zu weiteren Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung führt. Dabei geht es im Wesentlichen um die Frage, was das jeweilige Berichtigungsobjekt ist und inwieweit die 1.000 € eine Vorsteuerberichtigung beim Umlaufvermögen verhindert. Zu letzterem ist bereits ein Verfahren beim niedersächsischen FG anhängig (Az. 11 K 69/23), indem es um die Frage geht, ob die Anwendung der 1.000 €-Grenze beim Umlaufvermögen überhaupt durch das EU-Recht gedeckt ist.